„Gute Ware hat ihren Preis“

Der Design-Scout Andreas Murkudis im Interview über die schwierige Suche nach geschmackvollen Einrichtungsgegenständen, die unzureichende Förderung junger Designer in Deutschland und die Renditeerwartungen der hiesigen Möbelhersteller

Interview MICHAEL KASISKE

taz: Dein Laden sieht aus wie ein Depot für Kleidung, Möbel und Accessoires. Doch von den Gegenständen gibt es jeweils nur ein Exemplar, keine Alternativen. Hast du ein Konzept?

Andreas Murkudis: Ich habe ein einfaches Auswahlkriterium: Ich möchte die Dinge am liebsten alle zu Hause haben. Zum Teil sind die Sachen auch dort. Ich verstehe den Laden als ein gutes Fachgeschäft, in dem ich ausgesuchte Produkte anbiete.

Du verengst also absichtlich das Angebot?

Ja, zum einen, weil ich wenig Gutes entdecke. Zum anderen möchte ich, dass etwa die Leuchten, die ich hier habe, auch ihre Ausstrahlung entfalten können. In den üblichen Geschäften wird man mit Design bombardiert und eine Leuchte wie die Toio von Achille Castiglioni geht in der Fülle des Angebots unter. Das erklärt auch die geringe Verbreitung dieser Leuchte.

Für mich tönt das wie eine Sammelleidenschaft. Lässt sich die auf deine Arbeit im Werkbund-Archiv zurückführen?

Natürlich ist die Beschäftigung mit einer Designsammlung und dem Medium Ausstellung über fast 15 Jahre nicht spurlos an mir vorübergegangen. Im Martin-Gropius-Bau habe ich mit dem Verkaufsraum auch die ersten Erfahrungen mit einem kleinen Laden gemacht. Einige meiner Favoriten wie die Hamann-Schokolade und das Harry-Lehmann-Parfum aus den 20er-Jahren führe ich nach wie vor.

Und dann hast du ein „Saisongeschäft“ gegründet?

Genau. Als Testphase habe ich für acht Monate eine Etage in der Backfabrik gemietet und dreimal für jeweils vier Wochen geöffnet, nämlich Herbst/Winter, Weihnachten und Frühling/Sommer. Trotz der limitierten Zeiten sind ungefähr 5.000 Leute gekommen. Als der Mietvertrag auslief, habe ich diesen Raum im 2. Hinterhof entdeckt und vor einem halben Jahr eröffnet.

Was ich sehr mutig finde angesichts der aktuellen Wirtschaftsflaute.

Ich habe mich ja nicht blindlings in dieses Abenteuer gestürzt, sondern habe das Konzept vorher in der Backfabrik getestet. Da ich für einen Hinterhof-Laden von einer Bank keine Unterstützung erwarten konnte, haben mich meine Familie und meine Freunde finanziell unterstützt.

Ist das die Dauerausstellung eines Design-Scouts?

Ich finde die Bezeichnung Design-Scout irreführend. Denn ich bin nicht auf der permanenten Suche nach den allerneusten Trends.

Was für Sachen suchst du dann für das Geschäft aus?

Zum Teil Neues, sicher, aber das sind in erster Linie leisere Entwürfe von Gestaltern, die oft lange an einem Produkt arbeiten und es erst dann präsentieren, wenn es wirklich ausgereift ist. Daneben führe ich auch Sachenaus den 1930er- oder den 1950er-Jahren.

Wie wählst du die Dinge aus?

Zum einen schöpfe ich aus dem Material, das sich in den vergangenen zehn Jahren angesammelt hat. Zum anderen bringen mir befreundete Designer Material von Messen mit. Insofern kann man eher sagen, dass für mich viele Design-Scouts arbeiten.

Prüfst du die Empfehlungen der Scouts?

Ja, und ich gehe Hinweisen nach. Die meisten Tipps kommen von Leuten, die ich ohnehin im Laden vertrete. Manchmal fertigen nämlich auch konventionelle Firmen schöne Dinge. Da steht oft kein Name dran, aber ich erfahre das von dem Designer. Im Moment mache ich die Arbeit vom Tresen aus, aber im nächsten Jahr will ich mehr reisen.

Wie würdest du deine Rolle definieren?

Ich verstehe mich als Mittler zwischen den Entwerfern und dem Verbraucher, aber auch zwischen kreativen Leuten. Diese Pullover hier entstanden zum Beispiel aus einer Sammlung von antiken Kimonos. Der Sammler hatte den Wunsch, etwas Neues mit dieser Kollektion zu machen, und so habe ich den Kontakt zwischen ihm und den Designerinnen hergestellt. Außer den Pullovern werden jetzt auch Schals, Röcke und Tagesdecken produziert. Jedes Teil ist ein Unikat, das es nur in dieser Konfektionsgröße gibt. Inzwischen werden die Teile auch im Quartier 206 in der Friedrichstraße verkauft.

Bestehst du nicht auf Exklusivität, um Konkurrenz zu vermeiden?

Nein, wenn ich ein Objekt gut finde, dann soll es in vielen Geschäften zu kaufen sein. Mich nervt es, wenn andere Geschäfte einen Designer vor die Wahl stellen: entweder nur bei mir oder gar nicht. Das trägt nicht dazu bei, dass junge Gestalter vorankommen. Die Produkte sind ohnehin teuer genug, da eine kleine Stückzahl den Preis hochtreibt und viele Leute abschreckt.

Du verstehst dich auch als Förderer junger Designer?

Ja, etwa die Lampe von Christian Haas. Die Herstellung benötigt viel Handarbeit, allein das Festnähen der über sechshundert Schnürsenkel, die – nebenbei bemerkt – auch keine Lagerware sind. Jetzt hörte ich, das der Designvertrieb artificial sie in sein Programm aufgenommen hat. Das freut mich.

Bei dir stöhnen doch bestimmt auch viele über die hohen Preise für gute Gestaltung?

Jeder muss auch ein wenig verdienen, aber ich versuche, die Dinge möglichst direkt vom Designer zu beziehen und dadurch einen niedrigen Verkaufspreis zu kalkulieren. Gute Ware hat aber ihren Preis. In Berlin-Mitte entwickeln sich immer mehr Läden, die ein kleines, aber erlesenes Angebot bereit halten, wie etwa der Kosmetikladen „breathe“, der von roomsafari eingerichtet worden ist, oder der Damenunterwäscheladen „blush“.

Hat das denn Zukunft?

Einkaufsstraßen wie der Kurfürstendamm funktionieren nicht mehr. Die Leute möchten überrascht werden und sind die Riesenläden der internationalen Modelabels leid. Dort findet man in der Regel nichts Außergewöhnliches mehr.

Weil sich die etablierten Hersteller nichts mehr trauen?

Es ist ein Problem gerade in Deutschland, dass zu wenig Förderung stattfindet. Yves Saint-Laurent hat junge Designer finanziell unterstützt, damit sie sich mit ihren Ideen austoben können. Nach drei Jahren musste das Label dann konkurrenzfähig sein und Umsätze machen.

Unterstützung für etwas Neues ist aber immer schwer zu bekommen.

Im Ausland gibt es viele Beispiele von etablierten Designern oder Produzenten, die junge Designer unter ihre Fittiche nehmen und fördern. In Deutschland gibt es so etwas kaum. Bevor man sich eines Produktes annimmt, will man schon wissen, welche Rendite zu erwarten ist.

Die Hersteller tragen immerhin auch das Risiko.

Das Risiko ist in meinen Augen nicht wirklich vorhanden. Ich führe zum Beispiel eine Lampe, die besteht quasi nur aus einem Stecker und einer Fassung. Das kommt in die Steckdose und wird mit einem Schalter an- und ausgeknipst. Bislang habe ich vierzig Stück zu 50 Euro verkauft, was nicht gerade wenig ist. Da muss doch jemand zu finden sein, der sie in Serie herstellt und vertreibt, um den Verkaufspreis deutlich zu reduzieren.

Floriert dein Laden trotz der Kaufzurückhaltung?

Der Laden läuft so gut, dass ich im Herbst eine zusätzliche Fläche auf dem Hof eröffnen werde. Einer der Räume soll Ausstellungen vorbehalten sein. Welcher es sein wird und was dort ausgestellt werden soll, werde ich mir im Sommer überlegen.