Vorwärts Marsch im alten Schritt

Während der marokkanische Kommunikationsminister sich in schönen Reden für die Pressefreiheit ausspricht, wird Journalisten das Leben noch immer schwer gemacht. Dem Herausgeber zweier Zeitungen wurde jüngst der Pass entzogen

von REINER WANDLER

„Ich glaube nicht, dass Zensur, Beschlagnahmungen oder ein Erscheinungsverbot eine Lösung für unsere Presse darstellen“, erklärte der marokkanische Kommunikationsminister Nabil Benabdellah im Februar. Wer dies als hoffnungsvolles Zeichen wertete, sollte bald enttäuscht werden. Denn des Königs Regierung herrscht mehr denn je mit eiserner Hand. Immer wieder werden unbequeme Publikationen beschuldigt, „heilige Institutionen unseres Landes anzugreifen“.

Was dies bedeutet, weiß Ali Lmrabet, Herausgeber zweier satirischer Wochenzeitungen, der französischsprachigen Demain und der arabischsprachigen Doumane. Dem jungen Journalisten wurde der Pass entzogen, um zu verhindern, dass er Marokko verlässt. Sein Vergehen: Er hat ein Interview mit einem Intellektuellen veröffentlicht, der für die Abschaffung der Monarchie und für die Errichtung einer Republik eintritt. Zudem zeigten die Blätter eine Fotomontage, die hohe Vertreter Marokkos karikiert, denen ein Text über die monarchistische Partei und deren Finanzierung ebenso wenig gefiel wie ein Cartoon zur Sklavenhaltung. All das stelle eine „Verunglimpfung der Monarchie“ dar. Die Gerichte ermitteln.

Lmrabet, der bereits wegen eines Textes über den geplanten Verkauf eines Königspalastes zu vier Monaten Haft verurteilt wurde, drohen weitere drei bis fünf Jahre Gefängnis. „Unsere Autoritäten haben das Paket geschnürt, um die zwei Publikationen zu liquidieren“, erklärt er.

Die Affäre Demain/Doumane ist kein Einzelfall. Auch der Herausgeber der Wochenzeitung Casablanca muss vor den Kadi: Er soll einen hohen Polizeibeamten beleidigt haben. Außerdem wurde dem Korrespondenten des arabischen TV-Senders al-Dschasira in Rabat auf Geheiß des Kommunikationsministers höchstpersönlich die Übermittlung eines Berichts von einer Antikriegsdemonstration in der marokkanischen Hauptstadt untersagt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ befürchtet schon länger, dass die zaghafte Öffnung der Presse in den Monaten vor dem Tod Hassan II. und in den ersten Monaten der Amtszeit seines Sohnes und Thronfolgers Mohamed VI. zu Ende geht. Deutliches Zeichen: Im vergangenen Jahr wurde ein neues Pressegesetz kreiert, das an Haftstrafen für Journalisten festhält. „Das stellt eine schwere Verletzung der Menschenrechte dar“, heißt es in einem Kommuniqué der Organisation zum Schutz der Pressefreiheit. Marokko steht folgerichtig auf Platz 89 einer von „Reporter ohne Grenzen“ erstellten Liste mit 138 Ländern, die die Arbeitsbedingungen der Presse bewertet.

Dabei ist Marokkos Medienlandschaft auf den ersten Blick vielfältig: Diverse Radioprogramme sind auf Sendung, das staatliche Fernsehen leistet sich den Luxus zweier Kanäle. Das erhöht zwar das Angebot, jedoch nicht die Freiheit: Als sich das zweite TV-Programm zu viel herausnahm, wurde kurzerhand der Direktor ausgetauscht.

Auch wenn sich das Presseangebot formal mit 641 verschiedenen Titeln sehen lassen kann: Alle zusammen verkaufen sie gerade einmal 350.000 Exemplare täglich. Zum einen liegt dies an der über 50-prozentigen Analphabetenrate im Land, zum anderen aber auch an der gedruckten Langeweile. So gehört die Tagespresse mit Ausnahme einer Wirtschaftszeitung den Parteien. Die Journalisten unterliegen dort gleich einer doppelten Zensur – der Regierung und des Parteivorstandes. Die Blätter, die vom Staat subventioniert werden, sind ungenießbar. Dass sie dennoch ihr Monopol behalten, dafür sorgt das Kommunikationsministerium. So beantragte die französische Tageszeitung Le Monde die Genehmigung, in Marokko eine Ausgabe drucken zu dürfen. Die Vorbereitungen seitens der Verleger aus Paris sind bereits abgeschlossen. Die Antwort aus dem Ministerium steht weiterhin aus. Denn eine Le Monde zum einheimischen, günstigen Preis würde die marokkanische Tagespresse endgültig ohne Leser zurücklassen.