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: Wie eine stehen gebliebene Uhr: Hauptberufliche Cineasten in Udine

Viel Liebe im Kino aus Japan, Hongkong und China

In unserer beliebten Serie „Themenläden unterwegs“ verschlägt es uns dieses Mal nach Udine, einem beschaulichen Städtchen in Italiens Norden. Gelegen im Herzen der Region Friaul und umgeben von einer ausgedehnten Hügel- und Gebirgslandschaft, liegt die geschichtsträchtige Stadt an den internationalen Verkehrswegen, die den Süden Europas mit dem Nordosten verbinden. Das ältestes Dokument, in dem Udine Erwähnung findet, stammt aus dem Jahre 983. Dabei handelt es sich um eine Schenkungsurkunde, mit der Kaiser Otto II. das Kastell von Udine dem Patriarchen von Aquileia überließ. Auch wenn heute kaum noch jemand weiß, wer Kaiser Otto II. und der Patriarch von Aquileia eigentlich waren, darf man annehmen, dass die Schenkung nicht folgenlos war. Heute ist Udine jedenfalls ein Erzbischofssitz mit einem romanischen Dom aus dem 13. Jahrhundert, einem gotischen Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, einem Erstliga-Fußballverein aus dem 20. Jahrhundert und dem Far East Filmfestival.

Das Far East Filmfestival in Udine ist das größte asiatische Filmfestival außerhalb Asiens. Weil das FEF, wie man das Festival liebevoll nennt, in der letzten Woche nun schon zum fünften Mal stattfand, gingen dem Udine-Besuch in den Vorjahren einige Stippvisiten voraus und schafften damit die notwendige Grundlage, die für eine umfassende Trendsichtung gewissermaßen unerlässlich sind. Was hat sich also verändert? Welche Trends waren auszumachen? Was geht? Was geht nicht? Da das Festival allerdings mehrheitlich von Festivalbesuchern bevölkert war, bei denen es sich um hauptberufliche Cineasten handelte, sollte es als Indikator nur wenig taugen. Denn wie man weiß, sitzen Cineasten von morgens bis abends im Kino und erleben tatsächliche Trends höchstens als „cineastische Idee“, der sie dann schon aus berufsethischen Erwägungen höchst skeptisch gegenüber stehen.

Hauptberufliche Cineasten sind daher nach Gesichtspunkten der Trendforschung so zeitgemäß wie eine stehen gebliebene Uhr. Auch über die schönen Filme, die wie in jedem Jahr unter anderem aus Japan, Hongkong, China und den Philippinen kamen, lässt sich sagen, dass das organisierte Verbrechen wie romantisch verklärte Verstrickungen in Herzensdingen weiterhin hoch im Kurs stehen. Das könnte aber vielleicht weniger etwas über Udine oder die asiatische Filmindustrie aussagen, als vielmehr etwas über die Menschheit selbst.

Wie verhält sich nun der durchschnittliche Udineser dazu? Der besucht das Festival vor allem in den Abendstunden und verhält sich ansonsten unauffällig. Einige Polit-Aktivisten der Liga Nord sorgten sich ob der asiatischen Gäste um die Volksgesundheit und hielten es für nötig, zur SARS-Abwendung Mundschutzmasken zu verteilen. Die stilbewussten Italiener lehnten natürlich dankend ab.

HARALD PETERS