Die Ring-Vermarkter

Ein Cottbusser Internetportal profitiert vom Erfolg der Trilogie „Der Herr der Ringe“. Die Firmengeschichte ist fast so fantastisch wie die Tolkien-Saga

von GUNNAR LEUE

Mittelerde ist weit weg. Doch wenn man so will, liegt ein Stück davon im Südosten Brandenburgs, genauer: in Cottbus. Tolkiens Epos „Der Herr der Ringe“, dessen verfilmte Version am Wochenende wohl einige Oscars einheimsen wird, sorgt hier für einen kleinen Aufschwung in einer wirtschaftlichen Wüste. „Elbenwald“ heißt das Unternehmen. Es ist eine eingetragene GmbH und unter www.elbenwald.de im Internet zu finden.

Der Chef heißt Alexander Lapeta. Mit seinem langen Zopf sieht er aus, als sei er eher dem Film entsprungen, denn erfolgreicher Manager der Neuzeit. Das passt, denn die Geschichte seines Unternehmens ist selber eine Art Fantasy-Story ist.

Als der 25-jährige Berliner mit zwei Freunden aus Berlin und Frankfurt (Oder) im November 2000 Elbenwald ins Internet stellte, war das eine reine Hobbyaktion. Dirk Toepel und Jens Geppert, die an der Technischen Universität in Cottbus Verfahrenstechnik studierten, hatten dort 1999 ihre eigene Firma Webdynamix zur Entwicklung von Software und Webdesign gegründet. Irgendwann fragten sie ihren Freund Alexander, ob er nicht eine Idee für einen Onlineshop hätte. Mit dem wollten sie technische Erfahrungen sammeln.

„Ich habe aus dem Bauch heraus einen ,Herrn der Ringe‘-Shop vorgeschlagen, weil ich das Buch gerade mal wieder gelesen hatte“, erzählt Lapeta. „Wir guckten ins Internet, und da gab es in Deutschland nichts Derartiges.“ Obwohl seine Freunde skeptisch waren, weil sie bis dahin nicht zu den Fans der Geschichte zählten, setzten sie die Idee um.

Möglicherweise fanden sie sie selber ein bisschen spleenig, jedenfalls gaben sich die drei allesamt Zwergennamen aus der „Ringe“-Geschichte. Lapeta nennt sich betriebsintern Gimli, wie der Zwerg, der Frodo anfangs auf seiner Reise begleitet.

Über das Internetportal Elbenwald konnten sich Tolkien-Anhänger fortan austauschen oder Bücher und Spiele kaufen. Viel mehr Fanware gab es zu der Zeit kaum. Die ersten Interessenten lebten vor allem in Bayern und Hessen, die Pakete aus Cottbus gingen anfangs fast nur in den Westen.

Kein Wunder, denn die Romane von Autor J. R. R.Tolkien fehlen dort seit Jahrzehnten in fast keinem Haushalt, während sie im Osten erst nach der Wende erhältlich waren. Auch Alexander Lapeta wurde erst 1990 durch eine Freundin auf sie gestoßen. Dass sie mit ihrer Idee ins Schwarze getroffen hatten, merkten die Jungunternehmer, als im Sommer 2001 feststand, dass die „Herr der Ringe“-Trilogie in die Kinos kommen würde.

Elbenwald begann zu wachsen, so dass es nicht mehr reichte, die Seiten nur nebenbei zu pflegen. „Ich musste mich entscheiden: Wollte ich noch studieren oder mich ganz auf die Firma konzentrieren“, sagt Alexander Lapeta, der heute immer noch zwischen seiner Wohnung in Berlin und der WG mit seinen beiden Freunden in Cottbus pendelt. Er entschied sich für Letzteres, weil er längst mit ganzem Herzen dabei war. „Wir haben ein außergewöhnliches Konzept mit unserer Mischung aus Fanseite und Online-Shop. Der Besucher merkt, dass dahinter selber Fans stehen, die nicht nur schnelles Geld verdienen wollen.“

Wegen ihrer besonderen Fannähe wurden die Elbenwäldler im Merchandising-Boom nach dem ersten „Ringe“-Film von einigen Fanartikel-Herstellern um Rat gefragt, was sich gut verkaufen würde. „Wir haben etliche Produkte angeregt, zum Beispiel die Bögen von Legolas und Motive für Schmuck.“ Während klassisches Merchandising vor allem T-Shirts, Tassen oder Bettwäsche umfasst, sind unter den 800 bis 1.000 Fanartikeln im Elbenwald-Shop viele besondere Produkte.

Gerade der Schmuck hat es den Fans angetan, speziell „der eine Ring“. Ihn kann man in Silber und allen Goldarten bis hin zur Platinausführung für 1.500 Euro bekommen. Überhaupt sind die Preise ähnlich fantastisch wie die Mythologie: Eine exakte Nachbildung der Gandalf-Pfeife kostet 179 Euro, ein Schachspiel 599 oder das Schwert „Das grüne Schicksal“ 339 Euro. Vergleichsweise günstig ist dagegen das „Elbisch“-Wörterbuch (8 Euro).

Längst hat sich Elbenwald zum führenden Online-Shop für Tolkien-Artikel in Europa entwickelt. Der Umsatz 2003 betrug 2,5 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl stieg auf 18. Es ist eine junge Truppe von Grafikern, Einkäufern und Logistikern, deren Treiben im Elbenwald-Haus mitten in Cottbus manchen Leuten mysteriös vorkommt: So stand die Polizei schon mal vor der Tür, weil es Hinweise aus der Bevölkerung gab, dass hier „komische Sachen“ passieren würden. Nachbarn konnten sich nicht erklären, warum jeden Tag so viele Leute ein- und ausgingen.

Neuntausend Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz chatten regelmäßig im Internetforum Elbenwald. Zwei entdeckten hier sogar ihre Liebe zueinander und sind heute verheiratet. Die Elbenwäldler sind eine eingeschworene Gruppe, die überdies fast jede Woche irgendwo ein Fantreffen abhält, meist in Süddeutschland. Gelegentlich organisiert auch die Firma Elbenwald spontan etwas. „Nachdem wir auf unserer Internetseite über eine einmalige Filmrequisiten-Ausstellung im November in London informiert hatten, war das Interesse im Forum so stark, dass wir selber eine Bustour organisierten“, sagt Alexander Lapeta. „Am Ende sind wir mit drei Bussen von Cottbus über Berlin, Hannover und Köln nach London gefahren.“

Bereits vor dem ersten Kinofilm fand auf einer kleinen Schweizer Burg auch ein Mittelerdefest statt, das sich Lapeta und ein paar Freunde aus der Schweiz ausgedacht hatten. Im letzten Sommer kamen an die 600 Fans, um Livebands und Vorträge von Tolkien-Experten zu hören. In diesem Jahr wird es jedoch ausfallen, weil die Organisatoren alle in ihren Studienarbeiten stecken.

Die Faszination an der „Ringe“-Mythologie habe vor allem mit einer Sehnsucht nach Abenteuern zu tun, die im realen Leben immer unerfüllbarer sei, sagt Alexander Lapeta. Deshalb ist ihm auch nicht bange, dass die Begeisterung nach dem dritten Kinofilm abebben könnte. „Ich glaube, dass die Fantasy-Welle erst noch richtig anrollt, auch im Kino.“ Ein bisschen Abschiedswehmut befiel ihn beim letzten Teil der „Ringe“-Verfilmung aber doch: Er schaute ihn sich erst nach Wochen an, weil es „irgendwie ja doch ein Abschluss ist“. Andererseits dringt aus dem Elbenwald-Portal auch eine hoffnungsvolle Nachricht: Die Verfilmung des Buches „Der kleine Hobbit“, eine Art Vorgeschichte der „Ringe“-Trilogie, rückt näher.