„Mut nicht verloren“

Auch von den Oppositionsbänken aus kann die Gesellschaft verändert werden, resümiert die Chefin der Bürgerschafts-Grünen die letzte Legislatur

„Die Grünen säen eben viele Sachen, die dann erst später keimen“

taz ■ Sie fing gestern eine Stunde nach dem SPD-Kollegen Böhrnsen an: die Bilanzpressekonferenz der Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert. Bei den Politikinhalten jedoch sei die Opposition häufig schneller gewesen als die Parteien der großen Koalition, stellte sie ihrem eigenen Laden ein gutes Zeugnis aus. Linnerts Hauptthese: Die Grünen hätten in der vergangenen Legislaturperiode bewiesen, dass Politiker auch von den harten Oppositionsbänken aus politisch etwas bewegen und die Gesellschaft verändern könnten. Auch „bei solchen Machtverhältnissen“, also einer übergroßen Regierungsmehrheit im Parlament, hätten die Grünen „den Mut und die gute Laune nicht verloren“.

Zwar hätten es SPD und CDU in den letzten vier Jahren nur ein Mal „über sich gebracht“, in der Bürgerschaft ihre Finger für einen Grünen-Antrag zu heben – es ging um die Gesamtrichtervertretung. Allerdings seien durchaus grüne Vorschläge bei der Koalition auf fruchtbaren Boden gefallen – so dass CDU und SPD Oppositionsideen in eigene Anträge aufnahmen, die dann einmütig verabschiedet wurden. Linnert nannte etwa die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung, die Kulturhauptstadtbewerbung, die Reform der LehrerInnenausbildung und die Parlamentsverkleinerung.

Auch hätten sich CDU und SPD in der Science Park-Debatte soeben für ein Areal entschieden, das die Grünen schon vor Monaten vorgeschlagen hätten. Die große Koalition „beklaut uns manchmal ordentlich“, aber das sei „keine Schande“, gab sich Linnert sportlich: „Die Grünen säen eben viele Sachen, die dann erst später keimen.“

So habe der von den Grünen verlangte Untersuchungsausschuss Bau den Senat zu einer strengeren Beachtung der Vergaberichtlinien veranlasst und sei mithin richtig gewesen – obwohl es auch in ihrer eigenen Fraktion Stimmen gebe, die die „Bilanz des Ausschusses eher negativ“ bewerteten. Die Grünen hätten sich aber nicht zum Vorwurf machen wollen, eine schlaffe Opposition zu sein. „Dann wären wir total zum Papiertiger verkommen.“ Ein „großes Versagen“ ihrer Fraktion sieht Linnert allerdings: „Wir haben es nicht geschafft, dem Senat bei seiner Orgie im Geldausgeben in den Arm zu fallen.“ Der Space Park sei Ausdruck einer „großmannssüchtigen und relativ rücksichtslosen“ Politik, die nach dem Motto verfahre: Jeder investierte Euro ist ein guter Euro.

Linnert beklagte auch eine „Entmachtung des Parlaments durch den Senat“. Demokratie finde in Bremen zunehmend in Hinterzimmern statt, und interfraktionelle Absprachen seien zu „sonderbaren Veranstaltungen“ verkommen, die die große Koalition in der Regel nicht mehr ernst nehme. Der Senat schlage gegenüber der Opposition „oft einen rüden Ton“ an und „beglücke“ die Bürgerschaft nur mehr „mit wenigen, meist weiblichen Stippvisiten“, ärgerte sich Karoline Linnert. Markus Jox