Verkappte Rocker

Scheitern inbegriffen: Elektronische Musik in der Weserburg legt unterhaltsame Zugänge zur Avantgarde

Der Knieschussclub präsentiert für gewöhnlich eher klandestine Laptop-Kunst und improvisierende Eigenbrödler aus dem Untergrund. Bei den „Rapid Ear Movement“ in der Weserburg jedoch trat dieser sympathische Club am Donnerstag als Mitveranstalter eines Konzerts in Erscheinung.

Sein Freundeskreis addierte sich dabei mit den Stammgästen der übrigen Organisatoren – neben Nordwestradio und Museum die Projektgruppe Neue Musik, das Atelier Neue Musik und die Hochschule für Künste – zu einem Zuhörerkreis von beachtlicher Größe.

Dieser lauschte zunächst Gert-Jan Prins aus Amsterdam, wie er Geräusche eines Fernsehers ineinander mischte, sie dem freien Spiel des Zufalls unterwarf – und dabei ein Beispiel dafür gab, dass Musik, die das Risiko aufnimmt und auf vorab festgelegte Form weitgehend verzichtet, auch immer wieder scheitern kann.

Kim Cascone klang danach souveräner. Aber er hatte es auch einfacher. Er schuf – bewehrt mit einem Notebook – ein atmosphärisches Soundscape mit dem Charakter von Filmmusik. Der Blick durchs Fenster auf die nächtliche Schlachte erhielt so etwas von jener unsicher schwankenden David-Lynchhaftigkeit.

Am überzeugendsten: Radian aus Wien, ein Trio, das durchaus wie eine Rockband funktioniert. Allerdings eine, die gleichermaßen an Dub, Geräuschkunst und Jazz geschult ist. Ohne Berührungsängste streifen ihre Kompositionen Regionen, in denen die experimentellsten Momente von The Notwist nicht mehr fern sind.

Als Bassist John Norman sich nach einer halben Stunde den Pulli auszieht, kommt ein Motörhead-T-Shirt zum Vorschein. Kaum verkappte Rocker also, die unterhaltsam nachwiesen, dass Unterhaltung der schönste Zugang zu avantgardistischer Musik ist. Andreas Schnell