h.g. hollein Neusprech

Die Frau, mit der ich lebe, bringt gelegentlich neue Wörter mit nach Hause. Nicht dass wir nicht schon genug alte hätten. Aber die Aufforderung, mit der die Gefährtin von ihrer Zahnärztin angewiesen wurde, den Mund mal „ein bisschen aufer“ zu machen, schien mir denn doch bedenkenswert. Überhaupt dünkt mir, dass in der deutschen Sprache noch eine Menge Luft drin ist. So beantwortete sich die französische Praktikantin des Büros, in dem ich täglich sitze, unlängst ihre Frage, wie eigentlich das Substantiv laute, mit dem man den Umstand bezeichne, etwas vergessen zu haben, nach kurzer Überlegung mit der Kreation: „C'est un Vergiss, n'est ce pas?“ Irgendwie fand ich das nicht uneinleuchtend. Als interessant und eventuell re-importierungswürdig erachte ich mir auch die englische Adverbialadaption „zeitgeisty“. Überhaupt ist man auf der Insel dem Deutschen sehr zugeneigt, wenn auch desselben nicht immer ganz kundig. „You bloody Schweinenhünden!“ zeugt zwar von dem ungefähren Ahnen solch vertrackter Teutonica wie Deklination, Pluralbeugung und Umlaute, ist in der Umsetzung aber doch etwas überbemüht. Aber zurück ins heimische Umfeld. Auf erstaunlich wenig Verständnisprobleme stieß unlängst eine Schöpfung unseres Chefs, der bezüglich der Schröderschen Agenda 2010 feststellte, selbige werde nun erst mal gebsirskt, wahlweise auch geengelt und gekiefert. Nach einigem Hindenken auch durchaus bildhaft mutete mir die Charakterisierung eines Bekannten durch eine jüngere Freundin an, die da bemerkte, X sei ein echter Vollhorst. So hat es doch alles in allem etwas Tröstliches, dass in Zeiten lahmender Wertschöpfung zumindest die Wortschöpfung eine stabile Wachsigkeit aufweist.