Clärchens Ballhaus

Hans im Glück

Neulich war Raúl, mein ehemaliger Spanischlehrer aus Guatemala, zu Besuch. An einem Abend lud ich drei ehemalige Kommilitoninnen ein, die auch Unterricht bei ihm hatten. Als ich erwähnte, dass wir zum Sonntagstanz in Clärchens Ballhaus gehen würden, sagten Uta und Claudia, dass sie noch nie dort gewesen seien. Sie nahmen sich vor, das nachzuholen.

Raúl und ich drehten einige Runden, bis er sich beschwerte, dass ich mich nicht führen ließe. Wir setzten uns wieder – und ich übernahm auch die Gesprächsführung. Da trat ein freundlicher Herr an unseren Tisch und forderte mich zum Tanzen auf. Ich warnte ihn, dass ich nie eine Tanzschule besucht habe. Er meinte, er würde mir die Schritte zeigen. Ich fragte ihn nach seinem Namen, Hans, und schon ging’s los. Plötzlich blieb Hans, der einen halben Kopf kleiner war, stehen. „Ich führe seit zwanzig Jahren ein mittelständisches Unternehmen“, sagte er. „Ich führe hier!“ Ich musste lachen – und ließ mich führen.

„Jetzt leg deine Hand auf meinen Bauch“, verlangte er. „Aber Hans“, erwiderte ich, „wir kennen uns doch kaum.“ Er ließ nicht locker. „Jetzt mach, du wirst schon sehen.“ Ich machte und sah. Hans drehte mich um meine eigene Achse, dass es eine Freude war. Weil meine Hand auf seinem Bauch lag, bekamen wir uns nach jeder Drehung wieder zu fassen.

Zwei Wochen später berichtete Uta von ihrem ersten Besuch in Clärchens Ballhaus. „Ich habe auch getanzt. Anfangs gab es zwei Typen, die keine Geduld mit mir hatten. Aber dann kam Hans!“ Hans? Ob sie auch ihre Hand auf seinen Bauch legen musste? „Zu mir hat er immer gesagt: du musst zwischen meine Beine treten, damit wir Halt haben“, antwortete sie. Hans im Glück. BARBARA BOLLWAHN