Neues Europa kauft jetzt in den USA ein

Gigantisches Rüstungsgeschäft: Polen erhält für dreieinhalb Milliarden US-Dollar 48 amerikanische Kampfflugzeuge

WARSCHAU taz ■ Polen hat einen Jahrhundertvertrag geschlossen. So verkünden es die Schlagzeilen der größten Zeitungen Polens, die Minister und sogar Leszek Miller, der Regierungschef Polens am Dienstag. Doch mit dem „Jahrhundertvertrag“ ist nicht etwa der Beitritt Polens zur EU gemeint, sondern das größte Rüstungsgeschäft, das Polen je unterzeichnet hat. Insgesamt will das noch junge Nato-Mitglied dreieinhalb Milliarden US-Dollar für neue Kampfflugzeuge ausgeben. Die veralteten MIG-20-Jäger, die noch aus der Sowjetzeit stammen, sollen ab 2006 durch Kampfflugzeuge der neuesten Generation ersetzt werden. Polen will künftig als vollwertiger Nato-Partner gelten und nicht nur als Spezialist für die Beseitigung von Bio- und Chemiewaffen.

Den Zuschlag für dieses lukrative Rüstungsgeschäft bekam bereits im Dezember letzten Jahres die amerikanische Firma Lookheed Martin. Doch erst jetzt, nach vier Monaten zäher Verhandlungen, wurde der so genannte „Offset“-Vertrag unterzeichnet. Er regelt nicht nur die sehr günstigen Kreditbedingungen für Polen, sondern auch die Investitionen, zu denen sich amerikanische Firmen verpflichtet haben. Die amerikanische Regierung wird den polnischen Flugzeugkauf nicht nur vorfinanzieren. Vielmehr werden die Amerikaner in den nächsten zehn Jahren mindestens sechs Milliarden US-Dollar in Polen investieren.

„Das ist ein sehr günstiger Vertrag für die polnische Wirtschaft. Eine der Zeitungen schrieb sogar, dass wir beim Offset die Besten der Welt sind“, verkündet Ministerpräsident Miller voll Stolz im polnischen Radio. Tatsächlich sei dies „ein Jahrhundertvertrag“. Noch nie zuvor und in keinem anderem Land sei jemals ein so großer Offset-Vertrag unterzeichnet worden. Tatsächlich gehen Wirtschaftsexperten davon aus, dass der Offset-Vertrag den Polen nicht nur Investitionen in Höhe von sechs, sondern sogar von zwölf Milliarden US-Dollar einbringen wird. Miller ist überzeugt, dass dieser „Investitionsimpuls dazu führt, dass sich weitere Investoren für das Land zu interessieren beginnen. Das ist eine Art Kettenreaktion. Man muss den Prozess nur anstoßen, und dann kann man quasi zusehen, wie das Interesse an polnischen Firmen wächst.“

Weniger zufrieden mit dem polnisch-amerikanischen Jahrhundertvertrag ist der Vorsitzende der Europäischen Kommission in Brüssel, Romano Prodi. Am Samstag erklärte er in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Republica, dass er sich nicht darüber freuen könne, dass Polen einen gigantischen Vertrag zum Kauf amerikanischer Jagdbomber abschließe – kurz nachdem man in Athen den EU-Beitrittsvertrag unterzeichnet habe. Europa, das gerade erst zusammenwachse, sei durch den Krieg im Irak in das alte und das neue Europa geteilt worden. Die Neumitglieder müssten sich aber darüber im Klaren sein, dass sie nach der Aufnahme in die EU „zur Familie“ gehörten.

Eigentlich, so Prodi, sei es nicht möglich, sein Portemonnaie in Europa zu haben, es aber von den Vereinigten Staaten bewachen zu lassen. GABRIELE LESSER