Zurück im Mikrokosmos

Männer ohne Kopf, nackte Gestalten, Hirschgeweihe und von Messern zerschnittene Wolken: Hannah Dougherty und Szacsva y Pál zeigen ihre neuesten Arbeiten in der Galerie Kampl

von RICHARD RABENSAAT

Sechs Vogelhäuschen hängen aufgereiht an der Wand. Es sind schematisierte, ordentlich aufgemalte Umrisse der Nistkästen, mit weißem Lack auf Überresten von abgeblätterten Plakatwänden platziert. So weht aus der Ferne ein Hauch der längst verblichenen Affichisten durch die Galerie von Mathias Kampl. Die Bilder stammen von der Amerikanerin Hannah Dougherty. Ihre Bilder erscheinen leicht und unbeschwert.

Nicht der Makrokosmos der kollabierenden Weltpolitik ist das Thema der seit einem knappen halben Jahr in Berlin lebenden Künstlerin des Jahrgangs 1980. Selbst gegenwärtig verweilt ihr Blick mit erstaunlicher Heiterkeit auf dem liebevoll betrachteten, eigenen kleinen Mikrokosmos. Dort finden sich Männer ohne Kopf, Hirschgeweihe und nackte Gestalten, denen wie ehemals bei Magritte sperrige Gegenstände vor dem Gesicht herumfliegen.

Mit den Zeichnungen und Ölbildern von Hannah Dougherty und den Fotografien von Szacsva y Pál setzt der Galerist Mathias Kampl den am 8. Februar 2003 begonnen Ausstellungsreigen fort, dessen zentrales Element der Reihe auch seinen Namen gab: Artcubicle. Es handelt sich um einen großen Kubus aus Stahl und Holz, in dessen zahlreichen aufklappbaren Fächern sich Zeichnungen, Grafiken und Fotos von Künstlern finden, die Gastkuratoren, so genannte Paten, eingeladen haben, den Kunstschrank mit ihren Arbeiten zu füllen. Gleichzeitig sind die Arbeiten der jeweils neu eingeladenen, meist jungen Künstler und Künstlerinnen auch 14 Tage lang ganz traditionell in der Galerie ausgestellt. Hannah Dougherty ist ein Vorschlag der Kuratorin Klara Wallner, Szacsva y Pál empfahl der Direktor des Künstlerhauses Bethanien, Christoph Tannert. „Ich war selber erstaunt über die Vielfalt der Positionen“ bekennt Mathias Kampl, der mit diesem Projekt nicht nur jungen Künstlern eine unkomplizierte Plattform bieten möchte, sondern vor allem auch jungen Kunstkäufern bezahlbare Kunst, über die sich zwanglos informieren können. Als „Project in Progress“ geht der Schrank im August auf Wanderschaft, Leipzig, Wien und Köln sind die nächsten Stationen. Davor steht noch die Art Frankfurt ab 27. April, und auch im Internet entblättert sich der vielgestaltige Bilderbogen.

Szacsva y Pál nun hantiert mit Diaprojektionen auf Plastikbechern, Waschbecken, Kleiderhaufen und anderen Alltagsgegenständen. Das Ergebnis überrascht. Der Gegenstand verschwindet, zutage tritt eine neue Einheit aus Lichtbild und ephemer gewordenem Substrat. Eine Wolke, überblendet auf einen Kubus, wirkt wie mit scharfem Messer zerschnitten. Der blanke Chrom des Wassserhahns verschwindet im projizierten Foto des Kirchenaltars. Das neu entstandene Bild bannt der Künstler in großformatigen Abzügen.

Durch die intelligente Kombination von dreidimensionalem Objekt und zweidimensionalem Lichtbild entsteht ein neuer Kode der Wirklichkeit. Pál zeigt das Objekt als Traumgespinst. Ob nun der als Projektionsfläche dienende Kleiderhaufen oder das Lichtbild des Autos zerknautscht ist, ist so leicht nicht zu entscheiden. Und wohl nur angesichts der konkreten Installation wird der Betrachter erfahren, ob er die einander auf neue Art durchdringenden Schichten der visuell erfahrbaren Wirklichkeit aufzublättern vermag oder sich schlicht im hübsch arrangierten Manierismus der verblüffenden Optik verliert.

Bis 2. Mai, Galerie & Projekte Mathias Kampl, Auguststraße 35, Mitte, Mittwoch, Freitag 15 bis 20 Uhr, Donnerstag, Samstag 12 bis 20 Uhr