Verbreitung von Geschwätz

betr.: „Linke sollen Linke bespitzelt haben“, taz vom 17. 11. 08

danke für diesen gelungenen beitrag zum karnevalsauftakt. das dokument, das der taz vorliegt, belegt also:

jemand übermittelt jemandem, was jemand gestern in der kneipe erzählt hat. eine linke kreistagsabgeordnete ist über dieses grundmuster der verbreitung menschlichen geschwätzes so tief erschüttert, dass sie in einem paranoiden anfall die stasikeule auspackt. der kreisverband der linken hat nicht gelernt, geschwatzt wird am besten über telefon, erst recht, wenn wirklich ein schuss indiskretion oder gar intrige mitschwingen sollte. und wenn man dennoch meint, mit „dossiers“ rumfummeln zu müssen, dann wenigstens beachten, wer im mailverteiler steht!

ein cdu-general fühlt sich berufen, „vorgänge“ anzuprangern, die in seiner partei aufs höchste kultiviert wurden. uneinholbar sein ex-ehrenvorsitzender helmut kohl, der selbst in seinen biografisch-historischen ausdünstungen keinen zweifel lässt: beherrscht man die hinterzimmerarithmetik perfekt, dann kann man mit ein wenig glück 16 jahre bundeskanzler sein, auch wenn man ansonsten komplett talentfrei ist.

die einzige analogie, die sich in dieser sache zur stasi vielleicht wirklich aufmachen ließe: auch für „horch und guck“ mögen geschwätzigkeit, eitelkeit oder missgunst der menschen untereinander hervorragende ansatzpunkte gewesen sein. das perfide an der stasi waren jedoch deren organisation, apparat, systematik, techniken und ziele und dass die die macht hatten, in ausübung ihrer staatlichen disziplinierungsfunktion vermeintliche feinde des staatssozialismus nach bautzen zu schicken. INGO WITZMANN, Berlin