Öffne deine Augen

Robin Proper-Sheppard erlebte mit „The God Machine“ eine Katastrophe – doch seine inzwischen nicht mehr ganz neue Band „Sophia“, die morgen in der Fabrik spielt, scheint alte Wunden zu heilen

von Volker Peschel

Auf dem neuen, dritten Studioalbum seiner Band Sophia singt der amerikanische Gitarrist und Songwriter Robin Proper-Sheppard: „Maybe I‘m blind / why don‘t you open your eyes / you might like what you find“. Aus „Oh My Love“, dem ersten Lied des jetzt im Januar erschienenen Albums People Are Like Seasons, stammt dieser Dialog zwischen einem Mann und einer Frau. Öffne doch deine Augen, vielleicht wirst du mögen, was du dann siehst.

Es sind Zeilen, die man dem Mittdreißiger nicht immer während seiner Karriere zugetraut hätte. Anfang der neunziger Jahre hatte er mit zwei Highschool-Freunden aus San Diego, Kalifornien, eine Band gegründet. Sie nannten sich The God Machine, und sie sollten zur tragischen Legende werden.

Es erscheinen zwei Alben auf einem kleinen Label: Scenes Form The Second Storey und One Last Laugh In A Place Of Dying. Harte Gitarrenmusik, dabei aber eigentümlich versponnenes Zeug voller Stilbrüche. Textlich kreisen sie um fast biblisch anmutende Szenarien: Leben und Tod. Vertrauen und Betrug. Verlust und Einsamkeit. Sie werden weit mehr als ein Geheimtipp, scharen bald jüngerhafte Fans hinter sich, touren mit Jane‘s Addiction. Sehr wahrscheinlich würde es heute Gruppen wie Tool nicht geben, hätten The God Machine nicht diese wegweisende Art von Intellektuellen-Hardcore kultiviert.

Doch ein paar Tage nachdem die Aufnahmen des zweiten Albums im Prager Obecni Dum beendet sind, stirbt der Bassist Jimmy Fernandez im Mai 1994 völlig unerwartet an einem Gehirntumor. Seine beiden Weggefährten sind zutiefst geschockt, lösen ohne den Freund und prägenden Musiker die Band auf. „Ich fühle mich vom Leben betrogen“, resigniert Robin Proper-Sheppard danach in Interviews und singt: „Why do all the things have to change / just when they mean the most / it always happens that way“. Ratlose Fans handeln die nicht wieder aufgelegten CDs bis heute für dreistellige Preise.

Robin Proper-Sheppard zieht sich zurück, gründet ein Plattenlabel, sammelt nach zwei Jahren Musiker aus diesem Umfeld um sich. Anfangs als unbestimmtes Session-Projekt, bis 1996 das Album Fixed Water unter dem Bandnamen Sophia erscheint. Musikalisch ruhig und introspektiv, textlich hingegen so düster wie nie: „And you said life could be painless / I‘m sorry but that‘s not what I‘ve found“. Hart angeschlagene Akustikgitarren, ein Schlagzeuger, der so langsam mit dem Besen seine Snare krault, dass man hört, wie ihm die Schultern dabei runterzuhängen scheinen. Vergleiche mit Neil Young oder Sparklehouse kommen auf. Kritiker drehen durch. Denn Lieder wie „Another Friend“ gehören zu den schönsten Songwriterstücken der Neunziger. Proper-Sheppard, der, wie er sagt, seine Unschuld zu einem The Cure-Song verlor und sich mit 19 Jahren baptistisch taufen ließ, bleibt dieser neuen Soloband treu, beginnt zu touren, lässt zwei Jahre später das Album The Infinite Circle folgen. Bis zu zwölf Musiker gehören jetzt zu dem lockeren Kreis, der Sophia bildet.

Nun liegt nach reichlicher Pause das dritte Studioalbum People Are Like Seasons vor, das ihn fast altersweise und versöhnlich wirken lässt. Hatte er schon nach der Geburt seiner Tochter, die er ganz bildlich Hope getauft hat, erste Lichtblicke in seinen tiefschwarzen Texten, strotzen diese hervorragend geschriebenen Stücke vor kleinen Fingerzeigen der Hoffnung. Wie Jahreszeiten seien die Menschen, voller Veränderungen, und doch würden sie sich im Kreis drehen. Und statt tief zu leiden, kontert er es jetzt locker aus der Hüfte: „Life‘s a bitch and then you die.“ So einfach ist das.

Beim morgigen Konzert in der Fabrik spielt vorab Markus Maria Jansen – und auch der hatte in den Neunzigern mit M. Walking On The Water eine – zumindest in Deutschland – hoch gehandelte Band.

morgen, 21 Uhr, Fabrik