DIE SPD IST VON MEHR DISZIPLIN NOCH WEIT ENTFERNT
: Der Zweifel an der Macht

Das Machtwort des Kanzlers nützt nichts. Die SPD ist nicht in der Lage, eine handlungsfähige Regierungspartei nachzuahmen – geschweige denn, eine zu sein. Eine Gesundheitsministerin, die ihrer ungeliebten Praxisgebühr eine Halbwertszeit von wenigen Jahren gibt, wird die Wähler wohl kaum von der Notwendigkeit dieser Maßnahme überzeugen können. Eine solche kommunikative Panne ist umso überflüssiger, weil die Einführung eines Hausarztmodells und die damit verbundene Erstattung der Praxisgebühr ja in der Gesundheitsreform längst vorgesehen waren. Doch mit der Wortwahl, sie würde nicht darauf wetten, dass die Praxisgebühr in fünf Jahren so noch verlangt wird, hat die Ministerin erneut Zweifel daran geschürt, dass diese Regierung tatsächlich weiß, was sie tut.

Entsteht aber der Eindruck, dass selbst diejenigen, die den Umbau des Sozialstaates zu vertreten haben, am langfristigen Sinn ihres Handelns zweifeln, dann nimmt die Akzeptanz dafür noch einmal rapide ab. Die Bereitschaft, für Reformen, die den Eindruck von Flickschusterei und Aktionismus erwecken, persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen, dürfte bei den meisten Wählern gegen null gehen.

Es gibt aber nicht nur ein Problem mit der Vermittlung. Nach dem Rücktritt Gerhard Schröders als Parteichef herrscht in der SPD offenbar weniger denn je Einigkeit über Sinn und Umfang seiner Sozialreformen. Dabei verbinden sich kurzfristige Anreize für opportunistisches Verhalten – etwa der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen – mit grundsätzlichen Bedenken, die den Kurs der SPD als sozial unausgewogen ablehnen und einen Teil der Reformen nachträglich kippen wollen.

Die Entwicklung gibt denen Recht, die im Machtverzicht des Parteichefs auch eine Schwächung des Kanzlers gesehen haben. Von mehr Disziplin und weniger Durcheinander sind die Sozialdemokraten in Regierung und Partei weit entfernt. Als letztes Mittel bleibt Schröder nun nur noch eines: Er muss Köpfe rollen lassen, wenn er das Kanzleramt nicht als lahme Ente verlassen möchte.

ANDREAS SPANNBAUER