Menschen, Tiere, Adoptionen

Für den Bruder ein Erdmännchen, für Mama ein Kaninchen – eine Tierpatenschaft zu Weihnachten ist ein 365-Tage-Geschenk. Beschenkte freuen sich meist so darüber, dass sie ihr Pflegetier nicht mehr missen möchten und die Patenschaft verlängern

VON JANET WEISHART

Früher wohnte sie auf einem Bauernhof. Meine Tante Gisela, 62. Sie war Arzthelferin und nach der Arbeit stöckelte sie mit ihren Pumps immer zuerst in den Stall. Die Kühe und Pferde streicheln. Sie liebte Tiere – und die sie. Doch nach 29 Jahren Landidylle zog Gisela um, in eine Stadtwohnung. Haustiere nicht erwünscht, Bauernhof weit weg. Und nun? Pünktlich vor Weihnachten fand ich eine Idee in meinem Briefkasten, mit der ich meiner Tante eine tierische Freude machen könnte …

Ein Zettel vom Kinderbauernhof am Mauerplatz in Berlin-Kreuzberg warb: „Wir suchen Tierpaten.“ Ein Pferd oder eine Ziege unterm Weihnachtsbaum von Gisela? Das ist es! Also schaue ich am Mauerplatz vorbei. Heike Böziger, die diese Flyer verteilt und auf dem Bauernhof ehrenamtlich füttert und fegt, sagt: „Wir haben derzeit 20 Paten, aber das ist zu wenig.“ Förderung bekäme der Hof keine und die Tiere haben Hunger. Und sie berichtet mir von Fortune, dem Ponywallach. Dass der Pferdeopa seltene 37 Jahre alt sei, sensibel und geduldig. Und dass er seit einer Operation im vorigen Jahr einäugig ist und die ärztliche Betreuung weiterhin kostet. Ich beschließe: Fortune hat eine Sponsorin verdient, ich erwerbe eine Patenschaft für den Braunen, die ich meiner Tante Heiligabend schenken werde.

Damit liege ich im Trend. Tierpatenschaften werden immer öfter als Geschenk verpackt. Das bestätigt auch die Präsidentin des Verbandes deutscher Zoodirektoren, Gisela von Hegel. Sie erzählt: „Beschenkte sind meist so begeistert, dass sie später ihre Patenschaft verlängern. Die emotionale Bindung zum Tier ist nach einem Jahr Patenschaft sehr groß.“ Klar, auch finanziell sei den Zoos oder Tiergärten damit geholfen. Die günstigsten Patenschaften liegen meist so um 50 Euro für Meerschweine oder Häschen. Es gilt die Regel: Je mehr ein Tier frisst und umso mehr Pfleger es umsorgen, desto teurer die Patenschaft. Wenn von Hegel aber genau nachrechnet, resümiert sie: „Unterm Strich lohnt sich das finanziell nicht so sehr. Die Zoos kümmern sich ja auch um die Paten, informieren sie, feiern mit ihnen, laden sie zu Gesprächen mit Pflegern ein.“ Von Hegel, die auch Zoodirektorin in Karlsruhe ist, sagt: „Uns Direktoren geht es vor allem um den Effekt von Patenschaften: Als Zoo ins Gespräch zu kommen und Artenschutz erlebbar zu machen.“

Den Flügelschlag der Carollia perspicillata können Paten im Fledermauskeller an der Zitadelle in Berlin-Spandau förmlich spüren. Denn die Brillenblattnasen entwischen ihren Pflegern oft beim Füttern durch die kurz geöffnete Tür. „Die spielen mit uns Fangen“, erzählt Mitarbeiter Robert Henning belustigt. Paten könnten das miterleben. Denn bei 150 Euro Patengeld pro Jahr ist der Eintritt frei, Fütterstunden, Patentreffen oder sogar ein Namen für Jungtiere inbegriffen.

Solch eine Patenbetreuung soll es auch bald in Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide geben. Zuchthengst Billy wäre sein Geld wert, versichert Pressefrau Caroline Hlawatsch. „Er bietet eine echte Show: Vor Besuchern mimt er den Boss der Przewalski-Pferde, rennt, schnaubt, stellt sich in Pose. Hinter den Kulissen aber ist Stute Virginia die Chefin der fast ausgestorbenen Wildpferde.“ Von 1.000 bis 5.000 Euro zahlt ein Pate für Billy oder für einen seiner Freunde – Wisente und Rothirsche. Für Teilpatenschaften 100 bis 250 Euro.

Viele Tierparks und Zoos suchen bevorzugt Paten für bedrohte Tierarten, weil sie so die aufwändige Pflege unterstützen und deren Bekanntheit steigern können. So hält der Heimattiergarten Fürstenwalde nach einem „Onkel“ oder einer „Tante“ für Vielfraß Gloria Ausschau. „Vielfraße zählen zu den größten Mardern und sind kaum in Tiergärten anzutreffen“, berichtet Direktor Uwe Drewitz. „Für die tollpatschige, verspielte Gloria einen passenden Ehemann zu finden, ist so fast unmöglich. Der Tierpark Magdeburg wollte uns einen Bräutigam vermitteln, aber er starb. Kein Mann in Sicht. Vielleicht dafür ein Pate mit 350 Euro Taschengeld?“, witzelt Drewitz.

Ziegenbock Valentin im Haus Natur und Umwelt in Berlin-Oberschöneweide kennt kein Singleleben, wie Vielfraß Gloria es führt. Er kuschelt Tag und Nacht mit Eselfrau Lilli. „Nicht nur eine Wohngemeinschaft, sondern echte Liebe“, betont Zootierpfleger Stefan Lohmer. Schon ab kleinen Beträgen kann jemand Futterpate vom verliebten Valentin, Milchziege Schnucki, den Hauskaninchen Herr Schwarzer oder Tobi werden.

Zugegeben, die Symbolkraft eines Kaninchens ist begrenzt. Große Tiere haben es da leichter – Politiker oder Firmen sponsern daher gern mal einen Eisbären oder Elefanten. Der Zoo Berlin in Charlottenburg als ältester und artenreichster Deutschlands wirbt also in anderen Sphären: Aktuell wartet beispielsweise die 12-jährige Giraffendame Malindi – 840 Kilo schwer – auf einen Gönner. 1.500 Euro müsste der locker machen. Der Papa vom Eisbär Knut ist ab 2.500 Euro zu haben. Dafür darf der Pate dann so nah ans Tier, wie es für beide Seiten sinnvoll ist. Doch wie viel der Geldbeutel auch hergibt, jeder Weihnachtsmann sollte wissen: Besuche im Affen- oder Tigerkäfig sind für zukünftige Paten nicht drin.