strafplanet erde: kriegsgötter im april von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Schüchtern trieben Flocken durch die Straßen. Es wäre übertrieben gewesen, sie unter „Schnee“ zu subsumieren, dennoch rastete der Thalamus ein und signalisierte der Großhirnrinde, das Erinnerungsradio aufzudrehen, das der Sage nach vom Rückenmark ausstrahlt: „Sometimes it snows in april / sometimes I feel so ba-a-a-a-d“.

Seitdem Prince den Song 1986 veröffentlicht hat, ist jedes Jahr die Spannung groß, ob dieses nachrangige Naturschauspiel gegeben wird oder nicht. Der synchrone Soundtrack zum kapriolischen Wetterdesign: heuer passte er endlich wieder.

Und Prince? War nicht zu lesen, dass er nicht nur nicht mehr der Künstler ist, der früher Prince hieß, sondern dass er zu den Mormonen konvertiert oder Zeuge Jehovas geworden sei? Als ich unter dem schütteren Gegriesel das Kirchenportal unweit meines Wohnsitzes passierte, stand am Fuße der Stufen ein Schild: „Einen Augenblick Stille suchen, Ruhe finden; unsere Kirche ist offen für dich, für Sie, für Gott.“

Donnerwetter, dachte ich, inzwischen wird es ihm anheim gestellt, ob er sich einfindet im eigenen Haus. Er hat keine Präsenzpflicht mehr. Wäre auch zu viel verlangt, da er zurzeit allenthalben im Großeinsatz ist. Als handelte es sich um einen ganz altmodischen Krieg, mischt er auf Seiten der US-Administration mit („May God continue to bless America“), ist unter dem Namen Allah im heiligen Krieg gegen die USA tätig und taucht unter den Kriegsgegnern in vielfacher Gestalt, nicht zuletzt in der seiner Stellvertreter auf Erden, auf (Johannes Paul II., Johannes Rau). Flammende Schwerter und die andere Wange.

Gott ist überall anwesend und kümmert sich bekanntlich um jegliches seiner Geschöpfe: „Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Dennoch fällt deren keiner auf die Erde ohne euren Vater“, heißt es im Matthäusevangelium. Lukas rechnet anders und gibt Rabatt: „Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennige? Dennoch ist vor Gott deren nicht eines vergessen.“ Entweder schwankte der Marktpreis für Sperlinge damals oder schon die Apostel konnten sich nicht einigen. Indiz oder Symptom?

Von hier aus ist es nicht weit bis zu der unglaublich gewagten Hypothese, dass das Christentum ein einziger Variantenapparat ist. Bush jun. ist Methodist, Bush sen. Anglikaner, die größte nichtkatholische christliche Religionsgemeinschaft in den USA aber sind die Baptisten, die betonen, nicht zu den Protestanten zu gehören, sondern mit den Albigensern und Waldensern verwandt zu sein.

Aus der anderen Richtung erhält man die wertvolle Information, dass in den Republikanischen Garden nur Sunniten, aber keine Schiiten kämpfen dürfen, die sich aufspalten in die Zwölferschiiten, die Viererschiiten, die Zayditen, die Siebener- und Fünferschiiten.

Streng genommen sind das alles keine irrationalen Zahlen, sehen aber verdammt danach aus und lassen sich deshalb in himmlischer Herrlichkeit instrumentalisieren. Womit man zwar bei der Chaostheorie, aber wie von ungefähr auch wieder bei der Musik wäre. Der man mit „heidnischer Gelassenheit“ (H.C. Artmann) lauscht.