Auch Männer machen Musik

Beatrix Borchard lehrt Gender-Mainstream an der Hochschule für Musik. Ihre Promotion über Clara und Robert Schumann erregte 1983 großes Aufsehen, trotzdem ist ihre Professur eine Überraschung

von LENA GORELIK

Als Beatrix Borchard 1983 über Clara und Robert Schumann promovierte, war es fast ein Skandal. Die Arbeit von Musikerinnen war kein akzeptierter Forschungsgegenstand. Sechs Jahre später streikten in Berlin Studenten und forderten Lehrveranstaltungen zum Thema Komponistinnen. Heute ist Beatrix Borchard Professorin für Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt „Gender Mainstreaming und Musikvermittlung“ an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater (HfMT). Aber was ist Gender Mainstreaming eigentlich, und was hat es mit Musik zu tun?

„Das Problem ist, 99 Prozent der Menschen, auch der Frauen, denken, Musik habe mit dem Geschlecht nichts zu tun“, erklärt Beatrix Borchard. Musik sei aber Ausdruck von Menschen, und zu jedem Menschen gehöre nun einmal auch ein Geschlecht. Ihr Konzept ist: Vermitteln, dass Musik aus einem bestimmten Hintergrund heraus entsteht – historisch, gesellschaftlich, persönlich. „Das Geschlecht der Komponisten wird immer nur dann thematisiert, wenn es um Frauen geht, aber auch Männer haben ein Geschlecht, das ihre Sichtweisen mitprägt.“ Natürlich gehe es darum zu schauen, was Frauen komponiert haben.

In ihren Seminaren müssen die Studenten nicht nur Referate halten und zuhören, sondern können auch an Projekten arbeiten. Im vergangenen Semester zum Beispiel erarbeitete eine Gruppe einen Abend mit Texten „Sie lieb(t)en sich beide“ über Clara und Robert Schumann. „Es ging um die Geschichte der beiden. Ihre Briefe wurden mit musikalischer Umrahmung vorgelesen.“ Die Inszenierung wurde in den Zeise-Kinos aufgeführt und war ein Erfolg. „Meine Ideen kommen daher, weil mir mein eigenes Musikwissenschaftsstudium nur wenig Spaß gemacht hat“, erzählt Borchard. „Ich hätte als Studentin gerne etwas praktisch umgesetzt.“

Weil ihr das Studium in diesem Punkt so wenig gefiel, hätte sie vor ein paar Jahren noch gelacht, wenn ihr jemand gesagt hätte: „Bald bist du Professorin an der Uni.“ Borchard hat nach ihrer Promotion freiberuflich gearbeitet, beim Rundfunk, im Goethe-Institut als Deutschlehrerin und auch mal als Schreibkraft. „Als das Thema Gender Mainstreaming aufkam, haben sich Studierende der Hochschule der Künste in Berlin an mich gewendet, weil sie meine Veröffentlichungen kannten. Und weil ich die Studenten nicht nur unterrichten, sondern auch prüfen wollte, habe ich mich habilitiert.“ Rückwirkend ist sie froh, dass sie außerhalb der Universität Erfahrungen gesammelt hat.

„Wichtig ist, dass man nicht ideologisch argumentiert“, erzählt die Professorin. „Ich zeige den Studenten einfach, dass auch von Frauen spannende Musik komponiert wurde. Und zu den Aufführungen kommen andere Professoren und Lehrer, die diese Musik dann auch kennen lernen.“ Ob sie als Feministin abgestempelt werde? Da muss sie nachdenken. „Feministin ist in Deutschland ja fast schon ein Schimpfwort. Ich mache eben meine Sachen. Am Anfang wurde ich zwar beäugt: Wer kommt da an eine Elitemusikschule und will etwas mit Gender Mainstreaming machen? Aber das hat sich sehr bald gelegt.“ Sie selbst ist auf ein Jungengymnasium gegangen, in ihrer Klasse waren nur drei Mädchen. Da hieß es noch, Frauen könnten kein Latein. „Ich konnte mir in der Musik keine weibliche Identifikationsfigur suchen“, sagt Beatrix Borchard. Vielleicht hat sie deshalb der weibliche Aspekt der Musik schon immer interessiert.

„Man muss an junge Leute anders herangehen“, sagt die 52-Jährige noch einmal. „Nicht ideologisch.“ Es gelingt ihr ganz gut.