„Ganz egal, wie süß er ist“

Worüber reden StudentInnen denn eigentlich so beim Bier? Sie klatschen über Liebeskummer, Klassenkampf, die wahren Gründe für verpatzte Klausuren und betrunkene Kerle. Ein kleiner Lauschangriff

von LENA GORELIK und SEBASTIAN LEBER

Ein Abend im Schanzenviertel. Die Kneipen sind voll. Überall Studenten, die sich auf ein Bier treffen, in kleineren Gruppen oder zu zweit. Einen netten Abend verbringen. Über Gott und die Welt quatschen. Studentenleben eben. Aber über welchen Gott und was für eine Welt wird eigentlich geredet? Und welche Themen sind noch interessant?

Frank und Frei, 21.20 Uhr: Drei Handies in bunten Taschen, eine sogar selbst gestrickt, liegen griffbereit auf dem Tisch, vielleicht ruft jemand an. Drei Bier stehen da, es werden lebenswichtige Fragen gelöst. „Man muss der Freundschaft eine Chance geben“, überlegt Julia*. „Die kann man aber nur langsam aufbauen. Da helfen Mails, die unter Druck setzen, wenig.“ Auch Franziska findet Mails „abtörnend“. „Aber vielleicht sollte ich ihm mal eine SMS schicken, und vorschlagen, wir treffen uns zum Reden?“ will Daniela wissen. „Ich muss schließlich wissen, was mit uns ist.“ Die Freundinnen raten ab: Zeit lassen sei die beste Lösung. Dann geht es auch schon weiter, die drei haben Hunger. Die Frage ist nur: Isst man Sushi oder Döner?

Thai Imbiss, 21.45 Uhr: „Auf der letzten Party, hast du ihn da gesehen?“ Christiane löffelt ihre Suppe. „Welche Party? Die bei Timo?“ „Ja, da war er so besoffen, dass er nur noch in der Ecke lag.“ Es gebe noch mehr Männer, die Alkohol nicht vertragen, und „sonst eigentlich ganz süß sind“, tröstet die Freundin. Aber Christiane findet einen Mann „einfach nicht mehr attraktiv“, wenn er besoffen in der Ecke liegt: „So einen Anblick vergisst man nie, egal, wie süß er ist.“

Fritz Bauch, 22.10 Uhr: Benni und Georg sind wieder mal bei ihrem Lieblingsthema angekommen. Der Hamburger Musikszene. Sie schwärmen von Konzerten und Proberäumen – und vom neuen Tomte-Album, das in ein paar Wochen in die Plattenläden kommt. Den Bassisten aus der Band, den kennt Georg ganz gut. Olli heißt er. Der sitzt neben ihm im Geschichts-Seminar. „Naja, wenn er nicht grad auf Tour ist.“ Benni geht es nicht so gut, er hat seit zwei Wochen ein lautes Piepen im Ohr. „Zu viel im Schlachthof gewesen?“ „Nee, Stress mit meiner Süßen.“

Schanzenstern, 22.50 Uhr: Milchshakes vor dem Schlafengehen. Christian erzählt von seinem riesigen neuen Schreibtisch. „Und er passt genau zwischen meinen Schrank und die Wand.“ Annika kann nur arbeiten, wenn der Tisch am Fenster steht und es hell ist. „Schreibtische sind wichtig“, findet auch Martina. „Wenn ich auf der Couch lerne, schlafe ich sofort ein.“ Andere wichtige Lernregeln: Nicht vor dem Fernseher, nicht zu früh am Morgen, nicht mit dem Freund. „Ja, ich glaube, Tanja ist nur durch die Prüfung gerasselt, weil sie mit ihrem Freund gelernt hat.“ Womit ein schönes Klatschthema eröffnet ist.

Mellow Mood, 23.30 Uhr: Karmen und Anna wollen gleich ins Kino gehen, vorher teilen sie sich noch ein Alsterwasser. „Der zweite Teil soll ja nicht so gut sein wie der erste.“ „Ist das denn nicht immer so?“ Apropos Kinofilm: Wenn Karmen Liebeskummer hat, sieht sie sich den Film Bridget Jones zu Hause auf DVD an. „Da kann ich mich dann total gut reinversetzen. Das ist so, wie Kuschelrock hören.“ Annas Ex-Freund hat übrigens abgenommen: „Der würde jetzt in meine Hosen reinpassen, ich glaub das einfach nicht.“ Seine Schwester Maja ist übrigens auch ziemlich hübsch. „Okay, lass uns zahlen gehen, sonst verpassen wir die Werbung.“ Anna will vorher noch schnell aufs Klo.

Immer noch Mellow Mood, 23.45 Uhr: Am Nebentisch geht es um viel wichtigere Dinge – den Kapitalismus und wie man ihn stürzen kann. „Wenn Demos etwas bringen würden, wären sie schon längst verboten“, meint ein junger Mann. „Aber der Weg der RAF war doch auch nicht der richtige“, entgegnet sein Freund. „Muss man in Ruhe drüber diskutieren“, erwidert der junge Mann. „Wusstet Ihr, dass der Peter-Jürgen Boock heute in Hamburg wohnt?“, fragt ein Dritter. Nee, das weiß sonst keiner. Im Irak würden jetzt wahrscheinlich Mini-Atombomben eingesetzt, „wie pervers ist das denn“. Bush und Blair gehörten sofort vor das Kriegsverbrecher-Tribunal nach Den Haag, da sind sich alle einig. Obwohl, die deutsche Friedensbewegung mit ihren Lichterketten ist ihnen auch nicht ganz geheuer. Den Slogan „Kein Blut für Öl“ haben angeblich Nazis erfunden. „Ach hör doch auf damit, Hansi!“ *Alle Namen erfunden