Eine wirkliche Reform wagen

betr.: „Tschüss, Hauptschule“, taz vom 13. 11. 08

Was macht die Hauptschule zur Restschule? Da sind einmal die überhöhten Anforderungen bei der dualen Ausbildung in Handwerk und Industrie, die Hauptschüler nicht mehr erfüllen können. Wo früher der Kfz-Mechaniker war, ist heute der Kfz-Mechatroniker mit einem Anspruch in der Ausbildung, die nur noch gute Realschüler erfüllen können. Erst vor etwa zwei Jahren hat man bemerkt, dass da was schiefgelaufen ist, und hat den Kfz-Servicemechaniker installiert, eine abgespeckte Version mit einem zweijährigen Ausbildungslehrgang. So ist das mit sehr vielen Berufsbildern. Die Einsicht allerdings kommt zu spät.

Hinzu kommt, dass viele Eltern ihre Kinder aus falschem Ehrgeiz in die Realschule oder aufs Gymnasium schicken, wo sie zwar hoffnungslos überfordert sind, aber mindestens bis zur achten Klasse mitgeschleift werden. Denn man wisse: Die Anzahl der einer Schule zugewiesenen Lehrerstunden ist abhängig von der Anzahl der die Schule besuchenden Kinder.

In Rheinland-Pfalz geht man jetzt dazu über, Real- und Hauptschulen zusammenzulegen zur sogenannten „Realschule plus“. Aus kleinen Schulen mit wenigen Schülern und kleinen Klassen werden jetzt wieder große Schulen mit großen Klassen. Was dies für atmosphärische Folgen hat, kann jeder Unterrichtende nachvollziehen. Eine reine Sparmaßnahme, weil ja Schulen geschlossen werden müssen. Die Leidtragenden sind wiederum die Schülerinnen und Schüler. Ganz abgesehen vom sozialen Sprengstoff, wenn Realschulen schon jetzt verkünden, sie wollen die Hauptschüler nicht.

Anstatt eine wirkliche Reform zu wagen, und zwar verbindlich, bundesweit wurstelt jedes Bundesland vor sich hin, produziert Verlierer in großer Anzahl und jammert anschließend über die Folgekosten. Allein Sinn machte ein Schulsystem, in dem alle gemeinsam bis zur 8. oder 9. Klasse unterrichtet würden. Nur so könnte diese schreiende soziale Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft werden. Andere Länder machen uns das erfolgreich vor. Allein die Deutschen beharren auf einem System aus Kaisers Zeiten, welches den Eltern hohe Bildung vorgaukelt, das aber schon sehr lange ausgedient hat.

WILLI BATZER, Speyer