Furcht vor schweinischer Mutationshilfe

Erstmalig taucht der Verdacht auf, auch Schweine könnten sich mit der Vogelgrippe angesteckt haben. Damit steigt die Angst vor einem mutierten Virus, das eine Epidemie unter Menschen auslösen kann: Experten halten Borstentiere für „ideale Wirte“

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Die Nervosität um die in Asien grassierende Vogelgrippe nimmt zu: Möglicherweise habe sie auch auf Schweine übergegriffen, teilte die Welternährungsorganisation FAO gestern Morgen in Hanoi mit. Sie hätte damit eine neue Qualität erreicht, hieß es weiter. Vietnamesische Labors hatten die Krankheit bei Beständen in Hanoi und Umgebung diagnostiziert. Auslöser sollte ebenfalls der aggressive H 5 N 1-Erreger sein. Gestern Abend gab es dann das Dementi: Erste Tests der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegten die Infektion nicht. Die Sorge allerdings blieb.

Wie Experten erklärten, sind Schweine die „idealen Wirte“ für die entsprechenden Viren. Ihr Immunsystem ähnelt dem des Menschen, und viele der Krankheiten, an denen Menschen erkranken, treten auch bei Schweinen auf. Deshalb könnten sie als eine Art Mischkessel wirken, in dem sich das Vogelgrippe-Virus mit einem menschlichen Grippevirus verbindet. Die WHO hatte mehrfach vor einer Mutation des H 5 N 1-Erregers gewarnt. Falls dieser sich mit menschlichen Grippeviren mischen sollte, könnte dies Millionen Menschen gefährden. „Derzeit prüfen wir, welches die besten Gegenmaßnahmen sein können“, sagte denn auch Anton Rychener, Chef der FAO-Vertretung in Vietnam.

Laut zwei aktuellen Studien, die in den USA veröffentlicht wurden, könnte auch die Spanische Grippeepidemie von 1918 durch ein Vogelgrippe-Virus ausgelöst worden sein. Die Genome beider Viren scheinen in hohem Maße übereinzustimmen, so das US-Magazin Science.

In Vietnam steigt die Zahl der menschlichen Opfer auch jetzt schon fast täglich. Erst gestern wieder meldeten die Behörden den Tod eines 6-jährigen Mädchens in Ho-Chi-Minh-Stadt sowie den eines 24-jährigen Mannes. Beide starben bereits zu Wochenbeginn, wurden aber erst anschließend positiv auf den Erreger H 5 N 1 getestet, teilte das zuständige Gesundheitsamt mit. Insgesamt sind in Vietnam mindestens 13 Menschen an der Geflügelpest gestorben. In Thailand sind es offiziell 5.

Um die Seuche einzudämmen, wurden in Asien bisher weit über 50 Millionen Stück Geflügel getötet, allein 14 Millionen davon in Vietnam. Dennoch hat sich die Epidemie in 56 der 64 vietnamesischen Provinzen ausgebreitet.

Die Regierungen der am meisten betroffenen Länder verbreiten unterdessen Zweckoptimismus: Erst kürzlich erklärte ein Vertreter des vietnamesischen Landwirtschaftsministeriums, die Epidemie sei bis Ende Februar unter Kontrolle gebracht. Das aber ist nach Ansicht der FAO unrealistisch und nur als rein „politische Äußerung“ zu erklären. Derweil erfindet Thailands Regierung immer neue PR-Kampagnen: Um die widerstrebenden Verbraucher davon zu überzeugen, dass der Verzehr von gut durchgebratenem Geflügel eine sichere Sache sei, wollen Premier Thaksin Shinawatra und politische VIPs heute massenweise Hühnchengerichte kochen und kostenlos verteilen.