Obstbauern auf illegaler Spritztour

Pestizidskandal im Alten Land vor den Toren Hamburgs weitet sich aus: Landwirte spritzen auf ihren Apfel-, Birnen- und Kirschplantagen lange verbotene Ackergifte. Das Pflanzenschutzamt verhängt Bußgelder und verschärft die Kontrollen

von HANNA GERSMANN

Die Bauern im größten deutschen Obstanbaugebiet, dem Alten Land südlich von Hamburg, setzen trotz des Pestizidskandals im letzten Jahr weiterhin im großen Stil illegal Ackergifte ein. Das belegt ein Bericht des zuständigen Pflanzenschutzamtes Hannover, der der taz vorliegt. Heute wird ihn der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft im Bundestag diskutieren.

Dabei hatten die Bauern Besserung gelobt, als im letzten Jahr bekannt wurde, dass sie beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln flächendeckend gegen Auflagen verstießen (taz vom 21. 2. 2002). Die Behörden waren ihnen sowieso schon mit einer Ausnahmeregelung entgegengekommen. Weil in dem 17.000 Hektar großen Gebiet so viele Wassergräben eng nebeneinander liegen, dürfen die Bauern ihre Pestizide zum Teil bis auf einen Meter an die Gewässer heran spritzen. Sonst ist ein Abstand von 50 Metern üblich. Dafür sollten sie moderne Spritztechnik verwenden und auf bestimmte Pflanzengifte ganz verzichten.

Im letzten Jahr verschärfte das zuständige Planzenamt Hannover dann die Kontrollen – und fand mehr Gifte. Albrecht Klein, beim Umweltbundesamt für die Bewertung von Pflanzenschutzmitteln zuständig, fasst zusammen: „22 Prozent der Obstbauern an der Elbe spritzen nicht zugelassene Mittel auf die Felder.“ Darunter hochgiftige, die seit langem in der Bundesrepublik verboten sind und so komplizierte Namen wie Methabenzthiazuron und Simazin tragen.

Peter Wachter, Sprecher des Pflanzenschutzamtes, versucht zu beruhigen: „Was wir in Blatt, Boden und Wasser fanden, lag immer nur knapp über der Nachweisgrenze.“ Außerdem sei nicht auszuschließen, dass durch das Hochwasser im letzten Jahr die Gifte aus anderen Flächen als den Obstplantagen eingespült worden seien. Hans-Gerd Nolting vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit liest den Bericht des Pflanzenschutzamtes anders: „Die Daten zeigen, dass die Landwirte beispielsweise auf die Uferböschungen Unkrautvernichtungsmittel gespritzt haben.“ In 25 von 29 Proben wurden Gifte nachgewiesen. Ihn ärgert, dass sich „die Landwirte regelrecht verweigern“.

Davon will Heinrich Völkers, Vorstand der Erzeugergemeinschaft Elbe-Obst, in der gut die Hälfte der 1.000 Obstbauern im Alten Land vertreten sind, nichts wissen. „Viel wichtiger ist doch, dass die Früchte keine Rückstände haben.“ Richtig, das Pflanzenschutzamt wies bei seinen Tests solche nicht nach, dafür aber das Untersuchungsamt Oldenburg im Dezember letzten Jahres, sagt Ulrich Thüre vom Naturschutzbund Niedersachsen. Als die Oldenburger im Auftrag des Umweltverbandes Äpfel mit dem Etikett „Altes Land“ untersuchten, fanden sie verbotene Spritzmittel (taz vom 11. 12. 2002). Es handelt sich entweder um einen Etikettenschwindel mit Obst aus anderen Regionen oder um ein weiteres Indiz für Vergehen der Bauern an der Niederelbe. Einige von ihnen erhalten in den nächsten Wochen auf jeden Fall Bußgeldbescheide bis zu 10.000 Euro. Das Pflanzenschutzamt hat 54 Verfahren eingeleitet.