Viele, kleine, billige Kriege

In Washington steht der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen seiner Strategie in der Kritik – doch seine Autorität ist unangefochten

Rumsfelds Strategie kombiniert mächtigeTechnik mit Guerilla-Taktik

von ERIC CHAUVISTRÉ

Ja doch, an eine Gelegenheit könne er sich erinnern, gab Donald Rumsfeld, 70, im US-Fernsehen gerne zu, bei der er in die Planungen seiner Militärs eingegriffen habe. Man habe ihm einen Verlegungsbefehl für eine Einheit der Nationalgarde aus Puerto Rico vorgelegt, die die US-Basen in Deutschland schützen sollte. „Warum fragen wir da nicht die Deutschen? Dann können wir unsere Truppen für etwas anderes einsetzen“, will der US-Verteidigungsminister angeordnet haben. Der „exzellente“ Kriegsplan aber, der sei leider nicht seiner. Dieser Plan sei weitgehend das Produkt von General Tommy Franks „vielen wunderbaren militärischen Planern“.

Der Medienstar an der Spitze des Pentagons reagierte gewohnt souverän auf die Berichte, die seit dem Wochenende in Washington für Aufregung sorgen. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der deutlich wird, dass der Angriff im Irak offenbar nicht so einfach läuft, wie sich die US-Regierung das erhofft hatte, behauptet der renommierte Journalist Seymour Hersh im Magazin New Yorker, Rumsfeld habe während der Vorbereitungen im vergangenen Jahr mindestens sechs Mal die Militärplaner in seinem Haus angewiesen, ihre Pläne für den Irakkrieg zu überarbeiten. Die für die Entsendung an den Golf vorgesehenen Truppen sollten drastisch vermindert werden und der komplexe Plan für die Verlegung und Versorgung der Truppen – TPEDL für time-phased force deployment list – vereinfacht werden. In dem Bericht beruft sich Hersh auf Militärs aus dem Führungszirkel des Pentagons, die durch das Ausplaudern offensichtlich ihre Verärgerung über einen als arrogant und besserwisserisch geltenden Chef loswerden wollten, der sich auch in die kleinsten Details der Kriegsvorbereitung eingemischt hat.

Hätte der Minister auf seine weisen Generale gehört, so die US-Medien, dann würde der Krieg wohl ganz anders verlaufen. Dann stünden die US-Truppen jetzt vielleicht schon in Bagdad, dann bestünde nicht die Aussicht auf einen langen Krieg mit vielen Toten und Verletzten, dann wäre alles so gelaufen, wie in den Vorhersagen aus dem Umfeld der Bush-Regierung. Ein Planungsfehler, verursacht durch ein überhebliches Kabinettsmitglied, das nicht auf die Profis in Uniform hören wollte.

Einige Beobachter sehen gar die politische Position Rumsfeld beschädigt. Sie irren. Selten war ein Pentagon-Chef so unangreifbar wie dieser Minister. Ohne Rumsfeld könnte Bush diesen Krieg nicht führen. Der Mann hat Kultstatus. Nicht nur, weil kein Mensch in Washington den Krieg in Afghanistan hätte so gut verkaufen können wie Rumsfeld. Nicht nur, weil niemand den Krieg im Irak so souverän der Öffentlichkeit verkaufen kann wie der attraktive Frauenschwarm Rumsfeld.

Denn nicht nur die Person, auch die von Rumsfeld durchgesetzte Strategie ist essentiell für den politischen Kurs der Regierung Bush. Wie schon den Kalten Krieg sieht Rumsfeld den nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ als eine lange Abfolge kleiner Kriege über Jahrzehnte. Mit Massenaufmärschen aber, wie sie Centcom-Chef Tommy Franks und vor allem die Offiziere des Bodenheeres sie auch für den Irakkrieg gefordert haben, wäre dieser langfristige Plan nicht umsetzbar. Das wäre Rumsfeld zu unflexibel, zu aufwändig, zu teuer, zu zeitraubend und zu unmodern. Ins Amt geholt wurde er schließlich, weil er einer Kommission vorgestanden hatte, die vor einem „Pearl Harbour im Weltraum“ gewarnt und damit für eine Runde der Aufrüstung geworben hatte.

Der High-Tech-Fan ist angetreten, um eine Symbiose zu schaffen einerseits aus der Strategie des mit technischer Überlegenheit geführten Golfkrieg 1991 und andererseits der verdeckten Kriegsführung mit kleinen Einheiten, wie ihn US-Militärs und Geheimdienste in den 80er Jahren in Mittelamerika führten. Das Vorgehen mit einer technisch hochgerüsteten Macht sollte verbunden werden mit einer Art Guerilla-Taktik, ausgeführt von verdeckt operierenden US-Spezialeinheiten. In Afghanistan setzen die USA ganz auf diese Kosten und eigene Opfer sparende Kombination: Luftangriffe zur Einschüchterung gegnerischer Truppen, US Special Forces in Zusammenarbeit mit afghanischen Kämpfern für die Einnahme der von den Gegnern verlassenen Stellungen.

Dieselbe Strategie sollte auch in Irak umgestzt werden. Wieder setzte Rumsfeld – neben hochentwickelter Waffentechnik – ganz auf die Macht der Einschüchterung. Es sollte eine politische Strategie sein, die ganz auf die Macht der Abschreckung setzte und auf die Austrahlung der USA. Wenn jetzt ihr Scheitern eingestanden würde, stünde die ganze politische Linie der Bush-Regierung auf dem Spiel.