Union auf Kurssuche

Die CDU/CSU ist in der Irakfrage in drei Lager gespalten: Wie kritisch darf kritische Solidarität sein?

von ULRIKE HERRMANN

Die Union stellt sich gerade eine komplexe Frage: Wie kritisch solidarisch will man mit der „kritischen Solidarität“ von Parteichefin Angela Merkel sein? Fortwährend melden sich Unionspolitiker, um den proamerikanischen Kurs ihrer Frontfrau zu bewerten. Diese plötzliche Meinungsvielfalt muss verwirren. Daher eine exemplarische Übersicht:

Da gibt es die offiziellen Merkel-Unterstützer. Wortgewaltig empört sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm: „Die jetzt Kritik an Angela Merkel üben, müssen sagen, was sie wollen“, forderte er. „Wollen sie, dass die Amerikaner aus dem Irak jetzt abziehen? Wollen sie damit den Mittleren Osten in Instabilität stürzen? Wollen sie, dass der Vertrag zwischen Saddam Hussein und Russland über die Lieferung von 4.000 Panzern wirksam wird?“ Verständnis dürfen die Abweichler nicht erwarten: „Wir müssen endlich einmal wegkommen von dieser Gefühlsbetroffenheit. Wir müssen den Problemen rational begegnen.“

Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist nicht so drastisch, schließlich will er Kanzlerkandidat werden: Er unterstütze den Merkel-Kurs, weil er „historisch richtig“ sei. Doch welcher Kurs genau? CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer kann bei seiner Chefin gar „keine strikt amerikanische Haltung“ erkennen. Beim Irakkrieg hätten alle „Riesenbauchschmerzen“, da könne es „keine klare Position geben“.

Das sehen die Merkel-Kritiker anders: CDU-Außenpolitiker Karl Lamers versteht nicht, warum sich seine Parteichefin „so vorbehaltlos an die Amerikaner hängt. So werden wir ein passives Anhängsel, nicht Subjekt politischen Handelns“. Außerdem sei es „Unsinn“, zu behaupten, die Amerikaner würden von Irak bedroht.

Peter Gauweiler, neuerdings CSU-Abgeordneter im Bundestag, nutzt das Forum seiner Bild-Kolumne, um das beliebteste Argument der Merkel-Kritiker anzubringen: Die CDU-Chefin habe den Basiskontakt verloren. Die Mitglieder „sehen die Vormacht von jenseits des Atlantischen Ozeans außer Rand und Band geraten: wirtschaftlich, militärisch, auch sprachlich“. Damit zeigt sich Gauweiler zumindest solidarisch mit seinem Parteichef Edmund Stoiber. Der bayrische Wahlkämpfer setzt sich schon seit längerem von Merkel und den USA ab: „Wir haben diesen Krieg nicht gewollt.“

Originell ist die Metahaltung: Man negiert den Streit einfach. So macht es etwa Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel: „Es ist eindeutig, dass in der Partei ein großer, breiter Grundkonsens herrscht.“ Auf diese ungefährliche Position hat sich jetzt auch Friedrich Merz begeben: Es gebe keinen uneinheitlichen Kurs in der CDU-Führung. Die Position der Parteispitze sei „genau richtig, weil sie in sich schlüssig ist und widerspruchsfrei“.

Und dann ist da noch die politische Konkurrenz, die sich schadenfroh freut: Zumindest SPD-Generalsekretär Olaf Scholz glaubt nicht, dass sich Merkel eine „sehr durchhaltbare und aushaltbare Position“ ausgesucht hat.

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