Betteln um Atommüll

Niedersachsens Umweltminister fordert Aufhebung des Gorleben-Moratoriums und drängt bei Schacht Konrad

HANNOVER taz ■ Seit dem Machtwechsel in Niedersachsen ist Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) bei der Atommüllendlagerung in einer ungewohnten Rolle: „Es bleibt bei dem Moratorium, der Unterbrechung der Arbeiten im Erkundungsbergwerk Gorleben“, musste er am Wochenende am Rande eines Grünen-Landesparteitages in Hannover versichern. Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hatte verkündet, er werde bei seinem ersten Gespräch mit Trittin eine Aufhebung des Moratoriums fordern, mit dem die bergmännische Untersuchung des Gorlebener Salzstocks auf seine Eignung zum Atommüllendlager vorläufig gestoppt wurde.

Der einzige deutsche FDP-Umweltminister macht auch Druck beim zweiten niedersächsischen Atommüllprojekt, beim bereits genehmigten, aber noch beklagten Endlager Schacht Konrad in Salzgitter. Anders als die Bundesregierung will er nicht nur ein deutsches Endlager für alle Arten atomaren Mülls, sondern Schacht Konrad als separate Deponie für schwach Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle nutzen. Dazu muss er den Ausgang der Klagen der Anwohner abwarten. Solange das Bundesamt für Strahlenschutz keinen Antrag stellt, die Genehmigung für sofort vollziehbar zu erklären, haben sie aufschiebende Wirkung. Dass es den nicht geben wird, unterstrich Trittin am Wochenende ebenfalls. Seit 1990 haben niedersächsische Landesregierungen bei der Atommüllentsorgung eine gerechte Lastenverteilung unter den Ländern verlangt und gegen die beiden Endlagerprojekte Widerstand geleistet. FDP-Mann Sander kann den Atommüll nun nicht schnell genug bekommen. Die Bundesregierung will ihr eines Endlager für alle Arten atomarer Abfälle 2030 in Betrieb nehmen. Sander und sein Staatssekretär Christian Eberl wollen Schacht Konrad bereits bis 2013 zum Endlager für schwach radioaktive Abfälle machen.

Beim Endlager Gorleben geht es für Sander auch um eine andere Frage. So will der Landesumweltminister zwar die unterbrochene Erkundung des Salzstocks schnell zu einem Ende bringen, dann aber Gorleben in einem bundesweiten Auswahlverfahren mit anderen potenziellen Standorten für ein Endlager für hochaktive Abfälle vergleichen. Die anderen Länder müsse man mit in die Pflicht nehmen, weil es in Gorleben „auch um die Akzeptanz bei der Bevölkerung geht“, sagt der FDP-Politiker.

Allerdings werden sich Alternativstandorte kaum noch finden lassen, wenn gerade Niedersachsen eine Aufhebung des Gorleben-Moratoriums verlangt und damit die alte Festlegung auf ein Endlager in dem Salzstock noch einmal unterstreicht.

JÜRGEN VOGES