Mzoudi wieder einsatzfähig

Im zweiten Hamburger Terrorprozess spricht das Oberlandesgericht den Angeklagten Abdelghani Mzoudi frei. Zur Begründung heißt es, für eine Verurteilung hätten die Beweise nicht ausgereicht

HAMBURG dpa/taz ■ Abdelghani Mzoudi ist ein freier Mann: Das Hanseatische Oberlandesgericht hat den 31-Jährigen gestern von der Beteiligung an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 freigesprochen. Die Beweise hätten für eine Verurteilung nicht ausgereicht, sagte der Vorsitzende Richter, Klaus Rühle. „Ein Grund zum Jubeln ist das nicht“, betonte Rühle. Dennoch gelte: „Im Zweifel für den Angeklagten.“ Ob Mzoudi von der Vorbereitung der Anschläge gewusst habe, sei nicht zu klären: „Wir sind in diesem Verfahren an die Grenzen der Beweisbarkeit gestoßen.“ Hätte das OLG den Marokkaner nur auf politischen Druck hin verurteilt, hätten die Terroristen ihr Ziel, den Rechtsstaat zu schädigen, ein weiteres Mal erreicht, sagte Rühle. Nun erhält Mzoudi, der im Dezember auf freien Fuß gesetzt worden war, für die Dauer der Untersuchungshaft eine Entschädigung.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wollte das Urteil nicht kommentieren. Der Hamburger Innensenator Dirk Nockemann kündigte an, den Freigesprochenen alsbald abzuschieben. Er habe die Ausländerbehörde angewiesen, „so schnell wie möglich die Ausweisung zu prüfen“, sagte Nockemann (Partei Rechtsstaatliche Offensive). Die Bundesanwaltschaft kündigte Revision an. Bundesanwalt Kay Nehm gab sich überzeugt, dass das Urteil vor dem Bundesgerichtshof keinen Bestand hat: „Selbstverständlich rechne ich mit einer Aufhebung.“ Mzoudi war wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen angeklagt.

Dreh- und Angelpunkt des Prozesses war der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge, Ramsi Binalshibh. Das Gericht konnte den in den USA einsitzenden Mann trotz diverser Rechtshilfeersuchen nicht befragen. Im Dezember übermittelte das Bundeskriminalamt dem OLG Aussagen einer namentlich nicht genannten Person und gab dem Prozess damit eine spektakuläre Wendung. Nach Auffassung des Gerichts waren die Aussagen Binalshibh zuzuschreiben. Dieser habe den US-Behörden erklärt, dass Mzoudi nicht in die Anschlagsplanung eingebunden gewesen sei. Die US-Regierung bedauerte gestern das Urteil. Man habe „im größtmöglichen Umfang“ kooperiert, erklärte ein Sprecher des US-Justizministeriums in Washington. JAGO

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