berliner szenen Zangesi in der U 2

Eine Dada-Attacke

Die U-Bahn im Spätdienst quietscht verdrossen durch den Prenzlauer Berg. Ich bin bislang der einzige Fahrgast und blicke dösig auf die leeren Bänke. An der Schönhauser Allee steigen drei sehr muntere Menschen ein. „Auch das noch“, seufze ich im Stillen und höre dann, dass die drei Männer soeben von einer geglückten Dada-Soiree auf Russisch, Deutsch und Transrationalsprache mit dem russischen Sound-Poetry-Performer Sergej Birjukov aus dem Haus der Sinne in der Ystader Straße kommen.

„Entschuldigen Sie bitte, was ist eigentlich Zangesi?“, fragt mich einer der Zugestiegenen in seinem Übermut. „Zangesi? Das weiß ich nicht.“ – „Aber es steht doch hier.“ – „Wo?“ – „Na, hier!“ – „Sehe ich nicht.“ – „Hier! Sehen Sie doch!“ Und tatsächlich, da, mitten auf der Fensterscheibe, klebt ein kleines Zettelchen, auf dem „Zangesi“ in großen roten Druckbuchstaben steht. – „Ja, das weiß ich nicht“, wiederhole ich, „wie kommt denn das dahin?“ – „Ja, hier steht es doch auch“, sagt der Zweite und zeigt auf ein Zettelchen auf der Tür zum vorderen Wagen. „Und hier auch!“, sagt der Dritte und zeigt auf die Hintertür. Ich staune: „Das habe ich noch gar nicht gesehen!“ – „Hier auf den Bänken steht es auch überall“, meint der Erste. – „Hier sogar an der Decke“, staunen alle drei zusammen. Nun bin ich entsetzt. „Also, Sie wissen wirklich nicht, was Zangesi ist?“, fragen sie wieder. „Nein, nein! Das sage ich ja!“

„Na, dann müssen wir hier aussteigen“, sagt der Erste ernsthaft. Jetzt bin ich völlig wach. Überall steht „Zangesi“ in großen Druckbuchstaben! Verwundert sehe ich den Fahrgästen nach. Im Vorbeigehen haben sie etwas gemurmelt. Ich hab’s trotzdem gehört: „Gut, dass wir hier aussteigen mussten, wir hatten fast keine Klebezettel mehr.“ OLIVER RUF