„Prüfen und vergleichen“

taz-Auslandsressortleiterin Beate Seel über den Umgang mit Informationen in Zeiten des Krieges

taz: Frau Seel, die taz hat am vergangenen Samstag in einer Hausmitteilung den Leserinnen und Lesern erklärt: „Unabhängige Informationen über Opfer oder militärische Planungen sind sehr schwer zu bekommen. Deswegen werden wir mit großer Sorgfalt auf die jeweiligen Quellen unserer Informationen hinweisen. Nur so können Sie sich ein eigenes Bild über die Lage machen.“ Warum hielten Sie das für nötig?

Beate Seel: Eine der Grundregeln des Journalismus besagt, dass Informationen überprüft werden müssen. Eine Nachricht gilt als abgesichert, wenn es dafür drei von einander unabhängige Quellen gibt. Das ist in Kriegszeiten nicht immer möglich. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein: militärische Zensur, Propaganda der Kriegsparteien und anderer interessierter Kräfte, eingeschränkte oder gar keine Möglichkeit der eigenen Anschauung und Berichterstattung vor Ort. Im aktuellen Golfkrieg spielen alle diese Gründe zusammen. Wie jeder selbst den Nachrichten entnehmen kann, sind die Berichte oft äußerst widersprüchlich. Daher ist die genaue Quellenangabe wichtig, denn das erlaubt es den Einzelnen, die eventuell dahinterstehende Interessenlage bei der eigenen Beurteilung mit zu berücksichtigen. Im Sinne der Transparenz wollten wir das unseren Leserinnen und Lesern mitteilen.

Anders als im zweiten Golfkrieg können Sie nun auch auf die Berichterstattung von arabischen Sendern wie al-Dschasira zurückgreifen. Erleichtern das Ihre Bewertung von Informationen?

Selbstverständlich. Je mehr Quellen, desto besser. Das Informationsmonopol liegt nicht mehr allein bei den US-Strategen.

600 Journalisten hat das US-Pentagon in die angreifenden Truppen „eingebettet“. Warum ist die taz nicht dabei?

Unsere Sache ist es nicht, eine Kriegsberichterstattung aus der Perspektive des Zielfernrohrs zu betreiben. In der taz sollten, soweit wie möglich, die Menschen im Mittelpunkt stehen. Daher haben wir uns weder um eine Akkreditierung bei den amerikanischen oder britischen Soldaten bemüht, noch einen Korrespondenten auf einen Flugzeugträger entsandt. Aber selbstverständlich informieren wir uns auch über das Kriegsgeschehen und offizielle Erklärungen.

Wie schätzen Sie die Berichterstattung der „eingebetteten“ Korrespondenten ein?

In der gegenwärtigen Phase des Krieges genauso eingeschränkt wie deren Optik. Außerdem unterliegen sie der Militärzensur – aus Gründen der „Sicherheit der Operation“. Die Berichte dieser Kollegen können allerdings interessanter werden, falls sich die Truppen entschließen, beispielsweise nach Basra einzurücken. Vielleicht erfahren wir dann endlich mal, wie es den Leute dort geht und was sie denken.

Warum hat die taz keinen Korrespondenten in Bagdad?

Weil wir das als zu gefährlich eingeschätzt haben. Außerdem sind die Bestechungsgelder exorbitant.

Was sind Ihre Quellen?

Das Internet, Agenturen, internationale Medien, Hilfsorganisationen und NGOs – vor allem aber unsere Korresspondentinnen und Korrespondenten, die das Gesicht der taz prägen und ihre eigenen Informationsquellen haben.

Das liberale Washingtoner Fair-Institut hat bemängelt, dass die TV-Sender „Megafone der Regierungsvertreter“ seien. Wie entgehen Sie dieser Gefahr der Manipulation – egal von welcher Seite?

Das staatliche irakische Fernsehn ist zweifellos das Megafon Saddam Husseins. Gegenüber westlichen Sendern bestehen andere Erwartungen. Deshalb werden sie zu Recht kritisch beobachtet. Um Manipulationen zu entgehen, empfiehlt sich vor allem Offenheit für jedwede Information, nicht nur für die, die einem politisch gerade in den Kram passt. Ansonst gilt: Prüfen und vergleichen. Und immer an die dahinerstehenden Interessen denken.

Gibt es in der taz Diskussionen über den Umgang mit Fotos, beispielsweise von Kriegsopfern?

Immer wieder. Bei Opfern von Massakern im Bosnienkrieg, bei Fotos von Kindern in einem Bagdader Krankenhaus … Das sind dann jeweils Fall-zu-Fall-Entscheidungen. Wobei wir darauf Wert legen, in welchem Kontext die Aufnahmen entstanden sind.