Staatspartei im Versuch der Selbstreinigung

Die sächsische CDU hat wieder einmal eine Spendenaffäre am Hals. Kein Einzelfall nach 14 Jahren Regierungssolo

DRESDEN taz ■ Sachsens CDU steht derzeit mit 57 Prozent in der Wählergunst und wird doch im 14. Jahr ihrer Alleinherrschaft von Anzeichen moralischen Verschleißes geschüttelt. Die jüngste Affäre betrifft den Leipziger Stadtkämmerer Peter Kaminski. Bis gestern Abend hatten ihm der CDU-Kreisverband Leipzig und die Dresdner Parteizentrale eine Frist gesetzt, sich zu dubiosen Parteispendenquittungen aus der Zeit des Kommunalwahlkampfes 1998 zu erklären.

Vom Landesverband beauftragte Wirtschaftsprüfer hatten entdeckt, dass Kaminski offensichtlich Erlöse einer Benefizveranstaltung für den Erhalt einer Kongresshalle von CDU-Kreisgeschäftsführer Hasso Schmidt quittieren ließ. Wohin die etwa 70.000 Mark Spenden flossen, ist unklar. Vielleicht muss Bundestagspräsident Wolfgang Thierse aktiv werden. Denn eine meldepflichtige Großspende taucht im Rechenschaftsbericht der Partei nicht auf.

Kaminski unterlag 1998 in einem auffällig teuren Wahlkampf Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee. Im Zusammenhang mit hohen Provisionen beim Umbau des Leipziger Zentralstadions war er bereits ins Gerede gekommen. Sein Fall steht jedoch nicht allein in der sächsischen Union.

Was freundlich noch mit „bayerischen Verhältnissen“ im ostdeutschen Musterländle umschrieben wird, deutet auch auf inneren Verfall einer Quasi-Staatspartei. Noch hat ein Untersuchungsausschuss keine klaren Beweise dafür gefunden, dass die Staatsregierung über Fördermittel für die Sachsenring AG indirekt eine Imagekampagne der Wirtschaft vor den Landtagswahlen 1999 finanziert hat. Aber ein „Geschmäckle“ bleibt, wenn man hört, dass das Konzept über den Tisch des Regierungssprechers ging, und wenn man weiß, dass in der Biedenkopf-Ära in direkter DDR-Kontinuität die Einheit von Staat, Partei und sächsischem Volk propagiert wurde.

Die sächsische Union verdankt ihren Wählerzuspruch – bei 40 Prozent Nichtwählern – eher der schwachen Opposition. Über einzelnen Unions-Exponenten wie dem Stollberger Landrat Hertwig oder dem Zschopauer Bürgermeister Baumann schweben Korruptionsvorwürfe. Das Innenministerium ist durch eine Bereicherungsaffäre paralysiert. Einer, der wegen solcher Vorwürfe von Ministerpräsident Georg Milbradt entlassen wurde, ist Ex-Olympiastaatssekretär Wolfram Köhler. In seiner Heimatstadt Riesa nominierten ihn seine Unionsfreunde jedoch zum Direktkandidaten für die Landtagswahl und verdrängten den hoch angesehenen Ausländerbeauftragten, Pfarrer Heiner Sandig.

Ehemalige Blockparteigänger stellen den „Revolutionsadel“ von 1989 zunehmend ins Abseits. Der sächsische CDU-Generalsekretär Hermann Winkler sieht darin nur einen Generationswandel, obschon im Landtag von potentem Nachwuchs nichts zu sehen ist. Verschleißerscheinungen verneint er. Mit der großen Zahl von CDU-Mandatsträgern steige halt statistisch auch das Risiko von Verfehlungen Einzelner. Im Übrigen zähle das Ergebnis von 14 Jahren CDU-Solo: eine sächsische Spitzenposition im Osten. MICHAEL BARTSCH