Das Leben, das Universum und der ganze Rest in unentschiedener Variante: Funny van Dannen im Malersaal
: Bist du schwul oder nur liberal?

Das eher Traurige vorweg: Die Herzscheiße, das neue Album des Berliner Stehgitarren-Poeten Funny van Dannen, ist nicht sein bestes. Nicht im Vergleich zu anderen Vertretern seines Genres – die gibt es nicht – sondern im Vergleich mit ihm selbst und seiner letzten Wortmeldung Groooveman. Da und auch zuvor ordnete er mit nichts als seiner Stimme und Akkorden aus dem Lagerfeuerrepertoire – manchmal einer Flasche Wein, immer live – die Erde und das Weltall. Heuer ordnen sich Streicher, Akkordeon, mehrstimmiger Gesang, Schlagzeug, mehrere Gitarren um ihn herum und man ging in ein Studio, nun auf Tour. An einigen Stellen nimmt dieser Aufwand seinen Songs ihre Klarheit.

Das Schöne hinterher: Funny ordnet unsere Welt immer noch, ganz kräftig, klar und richtig. Menschliche Grenzen und Situationen sind seine Fluchtlinien. Sie sind gleichsam real und absurd, wenn er davon erzählt, dass sich sein Psychiater aufgehängt hat, sein Lieblingshaustier eine Ratte so flach wie Esspapier ist oder er seine Liebste beim verträumten Streicheln eines Lichtschalters ertappt hat. Er tänzelt zwischen Anklage und Resignation, wenn er nicht länger auf den „Himmel auf Erden“, in Form eines Bierzelts „mit Popmusik im Garten“ warten will. Und er watet geschickt umher zwischen Schmalz und Schönheit, denn seiner Schwiegermutter trägt er an: „Wirst du mit mir durch den Regen gehen, werden wir die Sonne sehen, Hiltrud?“

Da Romantik bei ihm jedoch genau wie Poesie, Comedy oder Politik, wenn vorhanden, alsbald gebrochen wird, schießt er Träumer sogleich brachial aus ihren Wolken: „Wenn du stirbst, werden viele einen Orgasmus haben.“ Das singt er einfach so, um kurz danach zu beschließen: „Das hört sich schlimm an, ist es aber nicht ganz. Denn zum Glück gibt es die räumliche Distanz.“

Wer sich hier auf Anhieb entscheiden kann, ob er lacht, weint oder den Saal verlässt, dem sei gratuliert. Der gehört vermutlich zu jener Gruppe Menschen, die van Dannen als „Freunde der Realität“ denunziert: „Sie haben TÜV-Plaketten auf der Seele, sie zahlen keinen Cent Steuern zu viel. Sie wollen, dass sich Leistung wieder lohnt, sie sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“

Wer sich aber nicht entscheiden kann, ist bei ihm genau richtig. Der Mann mit der Gitarre stellt überall große Fragezeichen in die Welt, und manchmal lenkt er seine Strophen genau da hin, wo es weh tut: „Es gibt doch so viele Männer – warum gerade der, frage ich dich? Du liebst ganz klar den falschen Mann, aber den, den liebst du richtig.“ Auf der Suche nach Glück, Zufriedenheit, Wahrhaftigkeit, nach Liebe scheint auch er immer noch zu sein. Sein vorläufiges Resümee ist ein weiterer Tritt in die emotionalen Weichteile: „Jetzt denke ich fast immer bei Problemen im Zusammenhang mit Liebe: Geh weg mit deiner Herzscheiße.“ Das sitzt.

Abgeschlossen ist die Sache mit dem Herzen dann aber doch nicht. Auch wenn er ihr niemals ein Hohelied singen wird, vielleicht glaubt Funny selbst an das biblische Wort aus dem ersten Korintherbrief, nach dem die Liebe niemals aufhört – nicht einmal beim Parteivorsitzenden der FDP: „Dabei war ich mir so sicher, ich hätte auf alles geachtet, aber gestern Nacht hat Guido Westerwelle bei mir übernachtet.“ Fragen muss er sich da schon „bin ich schwul oder liberal? Oder bisexuell oder alles zusammen oder ist mir schon alles egal?“ Aber auch Trost findet sich, denn „jeder braucht einen, der einem sagt, das man toll ist. Jeder braucht einen, noch besser sind zwei.“ Funny van Dannen wird auf so einen oder auch zwei mehr hoffen dürfen, und die Sache mit Guido W. ist dann endlich Herzscheiße von gestern.

Markus Flohr

Montag, 20 Uhr, Schauspielhaus, Malersaal