Girlie war gestern

Mit Banjo und Laptop gegen Kulturkürzungen: Benefizkonzert mit Kevin Blechdom, Mense Reents „TGV“ und dem „Schwabinggrad Ballett“ für das Ladyfest heute Abend in der Markthalle

von MARKUS FLOHR

Vermutlich war es so: Dana Horáková, Hamburgs oberste Kulturverknapperin, unterzog einmal ihren Kleiderschrank einer kritischen Überprüfung. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das, was sie dort sah, nicht mehr zeitgemäß sei. Um nach objektiven Gesichtspunkten zweckzurationalisieren und unter den gegebenen Umständen ein höchstmögliches Maß an Effektivität ihn ihrem Look zu etablieren, begab sie sich nicht etwa zum Edelschneider in die Spitaler-, sondern zu H&M in die Mönckebergstraße. Die mannigfaltigen Variationen des dort feilgebotenen, poppig-rebellischen Girlism-Looks beeindruckten sie sehr, und sie kam zu dem Schluss,die vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter sei nunmehr vollzogen. Am nächsten Tag, hinter ihrem Schreibtisch in der Kulturbehörde, strich sie mit einem roten Strich Worte wie „Frauenmusikzentrum“ oder „Expressiva-Musikfest“ durch, das schien ihr sehr zeitgemäß. Das Wort „Ladyfest“ kam ihr dabei nicht unter den Füller.

Mittlerweile ist Girlism nicht einmal mehr in den Modeauslagen etwas Originelles, Dana Horákovás Kleidungsstil und Kulturpolitik haben sich nicht entscheidend geändert – aber das „Ladyfest“ kommt im August 2003 nach Hamburg (taz berichtete). Und um Mode ging und geht es dabei sowieso nie, eher schon um Musik – zum Beispiel um Punkrock und aggressiven Riot Grrrl-Sound. Um beides zu verbinden, probt die feministische Lady-Kultur-Initiative heute Abend das Girl-, nein, Lady-Riot in der Markthalle und spielt nebenbei Geld ein, damit das Fest trotz Horákovás Rotstift gefeiert werden kann.

„Mit der Vermarktung des Girlisms ging eine Verharmlosung des ursprünglichen Anspruches einher, das Girlie ist gegenüber dem Riot Grrrl zurückgeworfen aufs Niedlich- und Harmlos-Sein. Das Motto bei uns ist aber: ‚Don‘t be in love with the guitarist – be the guitarist‘“, erklärt Bernadette la Hengst, eine der Organisatorinnen des Ladyfests. Die männliche Dominanz in der Poprockkultur gehöre beendet, ergänzt ihre Mitstreiterin Kerstin Holzwarth, da „gerade einmal fünf Prozent der MusikerInnen auf Hamburgs Bühnen Frauen sind“. Und weiter: „Wir wollen Rollenklischees offen angreifen – männliche wie weibliche und auch kulturelle.“

Ein Act des Abends versimplifiziert dieses Credo geradezu idealtypisch. Kevin Blechdom aus San Francisco ist eine Frau und verbrät mit Laptop und Banjo auf der Bühne Country-Balladen und anderes Kröppzeug aus der Asservatenkammer der Popularmusik zu elektronisch-aufgeregten Chorälen. Aber nicht nur in Sachen Gender-Bender wird das Konzert fröhlich auf der Borderline herum hüpfen. Das Schwabinggrad Ballett, bei dem auch Orga-Lady Bernadette mittanzt, hat neben seinem beknallten Namen neu vertonte Arbeiterbewegungslieder, selbst gebaute Instrumente und Reminiszenzen an die Punklegende Abwärts im Programm. Bekannt wurde das Ensemble unter anderem durch seine Parade für den Hamburger Einzelhandel im Rahmen der Bambule-Straßenfestlichkeiten im Winter letzten Jahres.

Fast schon klassisch kommen da die Hamburger „angry young ladies“ TGV daher. Ihr Sound ist im musikalischen Nährboden der Riot Grrrls, also dem Grunge und Punkrock nordamerikanischer Prägung verwurzelt. Sie werden schon einmal als der „Damenbesuch im Jungeninternat Hamburger Schule“ bezeichnet und sind laut, links und lebensfroh. Und damit die Gentlemen sich nicht allzu überfordert fühlen, tritt noch Stella-Multiinstrumentalist Mense Reents mit seinem Soloprojekt auf und singt von seiner neuen Platte Aus freien Stücken.

heute, 21 Uhr, Kunstraum, Markthalle