„MyDoom fragt dich nicht“

Die EDV-Abteilung der taz über ihre Strategien im Kampf gegen den Computerwurm MyDoom, die Frage, ob es auch gute Würmer gibt, und den politischen Aspekt des Angriffs auf Microsoft und SCO

INTERVIEW DIETMAR BARTZ

Wie hat die taz unter dem Computerwurm MyDoom gelitten?

Frank Doepper (taz-EDV): Schon bei den letzten Würmern haben wir unsere Rechner so eingerichtet, dass Mails nicht angenommen werden, deren Anhang eines dieser gefährlichen „exe“-Programme enthält. Letzte Woche haben wir das verfeinert. Jetzt findet unser Filter diese Dateien, auch wenn sie gezippt – also besonders komprimiert – sind. Die Programmierarbeit, Aufwand etwa ein Tag, hat Spaß gemacht. Und es ist beruhigend, wenn zwei- bis dreitausend Mails nicht angenommen werden, so wie letzten Freitag.

Gerd Ott (taz-EDV): Damit war der Hauptkanal zu. In der taz-Redaktion benutzen wir ohnehin nur Linux-Rechner, die nicht von Würmern angefallen werden. Auch die Macs im Layout blieben verschont. Ganz dicht bekommen wir die taz aber nicht, weil in Verlag und Vertrieb auch Microsoft-Rechner stehen. Wer von dort aus etwa sein persönliches Mailprogramm aufrief, also zum Beispiel GMX oder Hotmail, hätte sich Mydoom einfangen können. Die Aktualisierung des Virenschutzes hat eine halbe Stunde gebraucht. Ärgerlicher war das insgesamt verlangsamte Internet. Anfangs blieben auch die Texte unserer Auslandskorrespondenten im Mailstau stecken.

Hauptopfer war bisher die Softwarefirma SCO. Heute wurde auch der Monopolist Microsoft angegriffen, der allerdings besser vorbereitet war und eine Ersatzadresse eingerichtet hat. Dennoch: Trifft’s die Richtigen?

Ott: Die Aufmerksamkeit auf große Firmen und ihre marktbeherrschende Stellung zu lenken – moralisch ist das schon zu rechtfertigen.

Doepper: Schadenfreude habe ich durchaus verspürt. SCO klagt aggressiv Urheberrechte am bisher lizenzfreien Betriebssystem Linux ein, um sie auf eigenen Rechnung zu vermarkten. Die SCO-Website musste nach der Bombardierung mit Anfragen tagelang vom Netz genommen werden. Ich bin gespannt, wer der Nächste ist.

Wenn der Angriff politisch korrekt ist – müssen wir dann unsere Leser auffordern, den Wurm nicht zu deinstallieren, sondern ihn auf den Rechnern zu lassen?

Ott: Nein. Korrekt ist eine solche Aktion nur, wenn der Computerbenutzer sie selbstbestimmt unternimmt. So war das etwa bei der Online-Demo gegen die Lufthansa letztes Jahr, mit der gegen ihre Beteiligung an der Abschiebung von Flüchtlingen protestiert wurde. Da konnte man sich ein kleines Programm herunterladen, das automatisch eine große Zahl von Buchungsanfragen produziert, und es zu einem bestimmten Zeitpunkt in Betrieb nehmen. Die Aktion hat ihr Ziel erreicht: Der Lufthansa-Server war zeitweilig lahm gelegt.

Statt sich ein solches Programm zu installieren, könnte der politische Akt des Computerbenutzers doch in der Nicht-Deinstallation des Wurms bestehen?

Doepper: MyDoom übernimmt die Herrschaft über einen Rechner, geht in die Adressbücher und verschickt Mails mit gefälschten Absenderangaben. Das ist nicht akzeptabel. Kein Benutzer weiß, was der Wurm alles macht. Der MyDoom-Wurm gegen SCO installierte auf den befallenen Rechnern offenbar Hintertürchen, die von der MyDoom-Variante gegen Microsoft benutzt werden. Und niemand kann einschätzen, was die Entwickler noch weiter vorhaben.

Wann ist ein Wurm ein guter Wurm?

Doepper: Es gab mal einen, der einen anderen entfernte und sich dann selbst löschte. Aber es ist egal, ob ein Wurm Schaden anrichtet oder Gutes tut. MyDoom fragt dich nicht; der Computerbenutzer verliert seine Autonomie.

Und wenn er gefragt wird? Zum Beispiel durch ein aufspringendes Fenster: „Willst du dich an der großen Anti-Microsoft-Attacke beteiligen? Dann drücke jetzt auf ,Start!‘ “

Ott: Auch nicht besser. Selbst wenn er sonst unschädlich wäre – allein schon, dass er Adressbücher für seine Weiterverbreitung benötigt, ist nicht gut. Ansonsten wäre ein solcher Wurm genau wie unerwünschte Werbung zu betrachten, wie Spam, nur in diesem Fall für ein politisches Ziel. Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Wenn ein Wurm den Dritten Weltkrieg verhindert, von mir aus. Aber nur dann.

Frank Doepper betreut u. a. die Mail-Verwaltung der taz Gerd Ott ist u. a. für die Microsoft-Rechner zuständig