Das Prinzip Hoffnung

Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow setzt im Wahlkampf auf die Segnungen des Schlussspurtes. Nur 26 Tage bleiben ihm, um noch zu überzeugen

Hamburg taz ■ Der Abend fängt so an, wie es zu den aktuellen Umfragezahlen der Hamburger SPD passt. Als Bürgermeisterkandidat Thomas Mirow beginnen will, zu sprechen, sind die Mikros ausgefallen, das Saallicht blendet und die Techniker sind unauffindbar. Irgendwann funktioniert alles wie gewünscht – und Mirow sagt fast trotzig: „Die Wahlen werden erst ganz zum Schluss entschieden.“ Gemeinsam mit Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis macht er an diesem Abend Wahlkampf in der Schulaula des Margaretha-Rothe-Gymnasiums in Barmbek-Nord, und die GenossInnen im halbleeren Saal klatschen sich wacker Mut zu.

SchülerInnen haben an die Wand der Aula den Spruch gemalt: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, und für Mirows Wahlkampf könnte das der Leitspruch sein. Die Umfragewerte sind auch vier Wochen vor der Wahl extrem mau. Die SPD dümpelt bei 30 Prozent. Dem Kandidaten bleibt nur, auf den Schlussspurt zu setzen. Nicht einfach, wenn man „täglich aufpassen muss, was aus Berlin wieder Neues kommt“, fühlt Simonis mit. Was die Bundesregierung an Negativschlagzeilen produziere, mache sie „fast aggressiv“, man „möchte bitten: Lasst uns das hier unten doch bitte allein machen“. Auch Mirow schlägt in die Kerbe, spricht von dem „dummen Zeug“, das in Berlin zum Beispiel um die Putzfrauen debattiert werde. Der Landesvorsitzende Olaf Scholz ist nicht im Saal, da fällt das Dreinhauen auf die Bundespolitik ein bisschen leichter.

Im Saal hängen die neuen Plakate: Thomas Mirow zwischen kleinen Kindern, Thomas Mirow zwischen Ärzekitteln, für Kita-Plätze und staatliche Krankenhäuser, auch „für mehr Polizei auf der Straße“ – die SPD wirbt, nachdem sie wochenlang nur die Versäunisse des Rechtssenats plakatiert hat, nun mit vermeintlichen Positivbotschaften, und über die redet Mirow denn auch lieber als über die lästige Debatte, ob er wegen mangelnder Ausstrahlung dem Amtsinhaber Ole von Beust per se unterlegen sei. „Im Wahlkampf tut man so, als käme es nur auf die Schönheit des Bürgermeisters an“, kritisiert auch Simonis – und weiß doch genau, dass sie ihre Wahlsiege nicht zuletzt ihrer sperrigen Persönlichkeit verdankt.

Innere Sicherheit, Bildung, Kindergartenplätze – Mirow redet sich warm. Kritische Fragen aus dem Publikum bleiben ihm an diesem Abend weitgehend erspart. Die Basis ist dankbar, wenn vom politischen Gegner und den Medien einmal nicht auf ihre Partei eingeprügelt wird. Man rückt zusammen und pflegt das Prinzip Hoffnung: „Es sind ja noch 26 Tage.“ Eine kurze Zeit.

Peter Ahrens