Sie liebt mich, sie liebt mich nicht

Frauen-Freundschaft im Künstlermilieu: Gunna Wendt liest im Literaturzentrum aus ihrer Biographie „Clara und Paula“, in der sie nach Banden zwischen Clara Westhoff-Rilke und Paula Modersohn-Becker sucht

Zwei junge Frauen um 1900, die sich zur Kunst berufen fühlen, die eine wird Malerin, die andere Bildhauerin: Paula Becker und Clara Westhoff. Ihr Entschluss steht fest, lange bevor sie ihre Männer Modersohn und Rilke kennen lernen, mit deren Namen man die Künstlerinnen heute verbindet. Dass beide Frauen ungewöhnlich waren, ist bekannt. Ohne starke Persönlichkeit, Glaube an sich selbst und harte Arbeit konnte eine Frau damals kaum in den Status einer bekannten Künstlerin gelangen.

Die Soziologin Gunna Wendt folgt in ihrer Doppelbiographie Clara und Paula nicht nur dem künstlerischen Weg der beiden nach Worpswede und Paris. Sie interessiert die intensive Freundschaft zwischen den Frauen. Die beginnt kurz vor Jahrhundertwende in der Künstlerkolonie bei Bremen. Paula schreibt über ihre Begegnung mit Fräulein Westhoff in ihr Tagebuch: „Die möchte ich zur Freundin haben.“ Die Autorin Wendt meint, dass zwischen den Künstlerinnen schon beim ersten Treffen ein Funke übergesprungen sei. Das scheint auch auf der Hand zu liegen. Leben auf dem Dorf, umgeben von introvertierten Künstlerseelen und einfachen Arbeitern, Schwermut über dem Land. Dazu die gemeinsame wilde Entschlossenheit, als Künstlerin ihren Weg zu machen: Clara und Paula konnten gar nicht aneinander vorbei.

Wendt sind zwei eindringliche Porträts gelungen. Zum einen liegt das daran, dass sie ausgiebig aus den Tagebüchern und Briefen der beiden Frauen zitiert. Spannend ist nicht nur, wie die Frauen sich selbst und ihre Arbeit sahen, auch die gegenseitige Beobachtung und die anderer öffnet für die Leserin und Kennerin der Worpsweder Kunst neue Sichtweisen. Zum anderen gewinnen die 240 Seiten durch die Begeisterung Wendts. Ihre jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Modersohn-Becker durchdringt jeden Satz. Oft klingt es so, als wäre Wendt selbst gerne mit ihr befreundet gewesen.

Stattdessen wird Clara Westhoff Paulas beste Freundin – bei Wendt zumindest. Denn dass die beiden wirklich so dicke waren, kann Wendts Zitatenfundus nicht beweisen. Als Clara 1901 den exzentrischen Rilke heiratete, setzte schon die Entfremdung von Paula ein. Die regelmäßigen Studienaufenthalte der Frauen in Paris sind Schlüsselszenen ihrer Freundschaft. Verwirrend an diesem Extrakapitel ist der Bruch mit der Chronologie. Manche Textpassagen wiederholen sich zudem. Auch räumt Wendt dem eloquenten Rilke zu viel Platz ein. Seine teilweise mystifizierende Sicht auf die beiden „Mädchen in Weiß“ lenkt von der Freundschaft, um die es eigentlich gehen sollte, nur ab. Wendts Untertitel „Zwei Freundinnen und Künstlerinnen“ nimmt eine irreleitende Gewichtung vor. Der Aspekt „Künstlerinnen in konservativer Männerwelt“ ist der Autorin besser gelungen.

Liv Heidbüchel

Lesung: Montag, 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38Gunna Wendt, Clara und Paula, Europa Verlag, 280 S., 19,90 Euro