Alarm für das Atomkraftwerk Isar 1

Bayerns Umweltminister setzt beim Schutz des AKWs gegen einen terroristischen Flugzeugangriff auf Vernebelung

MÜNCHEN taz ■ Falls demnächst dichte Nebelbänke in der Nähe von Landshut gesichtet werden, muss das nicht an der feuchten Witterung liegen. Vielleicht probieren die Betreiber des Atomkraftwerks Isar 1 nur gerade das neue Sicherheitskonzept aus: Schutz durch Vernebelung.

Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) schwört auf die Idee, Terroristen, die ein Flugzeug entführt haben, damit die Sicht auf das AKW zu nehmen. Allerdings muss die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) erst noch prüfen, ob die Verschleierungstaktik auch funktioniert. Das Ergebnis soll im Frühjahr vorliegen. Sowohl Schnappauf als auch die Bewohner Niederbayerns sollten allerdings hoffen, dass potenzielle Attentäter ihr Ziel verfehlen, denn eine bislang nicht veröffentlichte Studie der GRS belegt, dass Isar 1 über „eine explizite Auslegung gegen Flugzeugabsturz“ verfügt. Die taz hat bereits im Dezember über diese Studie berichtet, jetzt wurden neue Details bekannt. So seien bei sechs deutschen AKWs im Falle des Absturzes eines Passagierflugzeugs schwerste Schäden und die Freisetzung von Radioaktivität zu erwarten. Ob das durch die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen beherrscht werden könnte, sei „fraglich“.

Bei den gefährdeten Atommeilern soll es sich neben dem 1979 in Betrieb genommenen Isar 1 um die typgleichen Siedewasserreaktoren Philippsburg 1 bei Karlsruhe und Brunsbüttel unweit von Hamburg handeln, außerdem um die Druckwasserreaktoren Biblis A (Hessen), Obrigheim (Baden-Württemberg) und Stade (Niedersachsen).

Die Veröffentlichung von Teilen der Studie hat zu einem heftigen Streit zwischen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und seinem bayerischen Kollegen Schnappauf geführt. So warf Trittin dem CSU- Mann vor, dass der die Studie bereits seit über einem Jahr kenne, aber nichts unternehme. Schnappauf konterte, dass Bayern seit langem ein „Vollschutzkonzept fordert, das von Schutzmaßnahmen an Flughäfen und bei den Flügen selbst bis hin zu Abwehrmaßnahmen gegen Terroristen an der Atomanlage“ reicht. Auch die Erweiterung von Flugverbotszonen rund um AKWs gehöre dazu. Außerdem verfüge Isar 1 über einen „soliden Grundschutz“, der auch für Flugzeugabstürze ausgelegt sei.

Nur nicht für alle: Die GRS hat mitgeteilt, dass Isar 1 für eine Spitzenbelastung von 1.700 Megapond konzipiert sei, was in etwa dem Aufprall eines Kampfjets entspricht. Sollte jedoch ein erheblich größeres Passagierflugzeug stürzen, entsteht eine viel höhere Wucht – ganz abgesehen davon, dass ein Jumbo wesentlich mehr Treibstoff an Bord hat. Wegen der offenkundigen Gefahr hat inzwischen auch der Landshuter CSU-Bürgermeister Josef Daimer eine vorzeitige Abschaltung von Isar 1 gefordert. Die Restlaufzeit beträgt noch 16 Jahre. Das könnte ein Grund für die von der Betreiberfirma E.on und dem bayerischem Umweltministerium favorisierte Vernebelung sein. Eine bauliche Nachrüstung käme wesentlich teurer. Kostspielige Investitionen aber, das hat E.on schon festgestellt, würden sich nicht mehr lohnen.JÖRG SCHALLENBERG