Mulmig ins Neujahr

Mit einem Blick auf den Fernseher begingen die Bremer Kurden am Wochenende ihr Neujahrsfest – viele haben Angst um ihre Verwandten im Kriegsgebiet

Vielen war wegen des Kriegsbeginns nicht zum Feiern zumute – und dennoch haben die Bremer Kurden auch in diesem Jahr das kurdische Neujahrsfest am 21. März begangen. Viele verbringen seit Tagen ihre Zeit vor dem Fernseher. Oder sie versuchen, mit Bekannten und Angehörigen in der türkisch-irakischen Grenzregion zu telefonieren.

Auch der Bremer Menschenrechtler Sertac Bucak hat sich per Telefon Informationen aus erster Hand besorgt. „Die Menschen haben vor allem Angst vor weiteren Giftgasanschlägen“, sagt der 52-jährige Diplomingenieur. Viele seien deshalb in die Berge geflohen. 1988 waren bei dem Anschlag des irakischen Diktators Saddam Hussein auf die Kurden im Nordirak mindestens 5.000 Menschen getötet worden, weitere tausende wurden verletzt oder leiden noch heute an den Folgen des Anschlags. Bucak kritisiert, dass die Europäer dem Treiben des irakischen Diktators so lange tatenlos zugesehen haben. Jetzt hofft er, dass der Krieg der US-Amerikaner gegen den Irak so schnell wie möglich zu Ende geht und so wenig Menschen wie möglich sterben müssen.

Auf der anderen Seite ist er froh, dass jetzt die Chance da ist, den Diktator zu stürzen. „Ich bin da zwiegespalten“, sagt er. „Niemand macht sich ja Gedanken darüber, was danach passiert.“ Wie viele Kurden befürchtet Bucak, dass die Türkei wieder in den Nordirak einmarschiert und das Kurdengebiet – das nicht unter dem Einfluss Saddam Husseins steht – besetzt. „Dabei kann man dort jetzt schon sehen, wie ein demokratisches Leben ohne Saddam aussehen kann“, so Bucak. Bereits jetzt gebe es Grenzübertritte. 1.000 türkische Soldaten seien ins nordirakische Grenzgebiet gerückt, hatte der Sender CNN-Türk am Wochenende gemeldet – was der Generalstab in Ankara gestern umgehend dementierte. Falls es zu Übergriffen der Türken kommt, könnten sich die Spannungen zwischen Kurden und Türken, die in Bremen leben, möglicherweise wieder verstärken, meint Bucak, der selbst seit 32 Jahren in Bremen lebt. eib