Durchbruch in Mostar

Die zwischen Kroaten und Muslimen geteilte Stadt soll wieder multikulturell verwaltet werden. Ein Modell für Bosnien und Herzegowina?

VON ERICH RATHFELDER

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Nach all den Jahren der ethnischen Teilung der Stadt wird Mostar wiedervereinigt werden. Und das trotz der Widerstände von den Nationalparteien der Bosniaken und Kroaten. Für jene aber, die für ein multiethnisches Bosnien eintreten, ist die jüngste Entscheidung des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, von großer Bedeutung.

„Mostar wird mit der Gemeindereform wiedervereinigt sein, wird eine einheitliche, multiethnische Stadt. Die Stadt wird darüber hinaus das Pilotprojekt für das gesamte Bosnien und Herzegowina, wie es schon einmal 1994 war, als Hans Koschnick die EU-Administration aufbaute und half, den Krieg hier zu beenden“, sagt Faruk Kajtaz, Musikmanager und Journalist aus Mostar.

Damals, während des Krieges in Bosnien, der mit dem Dayton-Abkommen im November 1995 beendet wurde, versuchte Koschnick, die beiden sich bekämpfenden Volksgruppen, die Kroaten und Muslime (Bosniaken) in Mostar zu Kompromissen zu bewegen. Die Brücken über die Neretva waren durch Artilleriebeschuss und Sprengungen zerstört, die Stadt in zwei jeweils ethnisch gesäuberte Hälften zerrissen. Koschnik gelang es immerhin, die Verwaltungen beider Seiten zu konsolidieren und zur Kooperation zu bewegen. Sechs Stadtbezirke, drei auf jeder Seite, die gleichzeitig Wahlbezirke waren, wurden eingerichtet.

Die Nationalisten versuchten, ihren Einfluss zu verteidigen. Zwei Anschläge auf Koschnik von kroatischer Seite schlugen zwar fehl, doch sie zeigten, mit welchen Mitteln um die Macht gekämpft wurde. Dennoch gelang es den internationalen Institutionen im Laufe der Jahre, die Lage zu beruhigen und nicht nur die Brücken wieder aufzubauen, sondern auch viele Vertriebene zur Rückkehr zu bewegen.

Mit Ashdowns Entscheidung werden jetzt in Mostar die ethnisch definierten Gemeindeverwaltungen zugunsten einer einheitlichen Stadtverwaltung aufgelöst. Nur als Wahlbezirke bleiben die Gemeinden erhalten, aus denen jeweils drei Räte für den Gesamtstadtrat gewählt werden. Mit der Quotierung von höchstens 15 Räten pro Volksgruppe wird keine der Volksgruppen eine Dominanz haben. Dies ist wichtig für die Muslime, denn im bosniakisch dominierten Ostmostar leben angesichts der Abwanderung nur noch 18.000 Menschen, im kroatisch dominierten Westteil dagegen aber 45.000. Auch die Serben, die vor dem Krieg ein Drittel der Bewohner stellte und heute nach und nach zurückkehrt, sowie andere Minderheiten werden im Rat beteiligt sein. Im Oktober dieses Jahres wird es erstmals Wahlen nach dem neuen System geben. Dann wird die Einigung der Stadt vollzogen.

Von 194 Politikern werden nur noch 36 in der neuen Struktur gebraucht. Viele Pöstchen und Privilegien gehen verloren. Kein Wunder, dass viele Nutznießer der muslimischen kroatischen Nationalparteien, SDA und HDZBIH, gegen Ashdowns Entscheidung protestierten. „Keine Seite wird mit allem zufrieden sein“, erklärte Ashdown demgegenüber am Wochenende, „Hauptziel ist die Abschaffung von parallelen Strukturen und, zweitens, die Dominanz einer Volksgruppe zu verhindern, womit die Stadt wieder multiethnisch wird.“

Kann Mostar ein Modell für den gesamten Staat Bosnien und Herzegowina werden? Mit dem Abkommen von Dayton wurden nationalistische Administrationen im geteilten Land anerkannt. Die Nationalparteien blieben an der Macht. „Wenn die Vereinigung der Stadt wie vorgesehen klappt, muss das Modell Mostar auf den Gesamtstaat übertragen werden“, sagt Faruk Kajtaz. Die Revision des Abkommens von Dayton steht an.