Düren will Kaufkraft aus Umland anziehen

Nach dem Willen der regierenden CDU soll Düren zum Einkaufsmekka zwischen Aachen und Köln ausgebaut werden. SPD, Grüne und Einzelhandel befürchten, dass die bestehende Geschäftsstruktur in der Innenstadt zerstört wird

DÜREN taz ■ „Lebendig, offen, mittendrin!“ ist kein neues Karnevalsmotto, sondern der neue Slogan der Kreisstadt Düren. Die zwischen Köln und Aachen gelegene Stadt soll deswegen bald ein großes Einkaufszentrum bekommen. Zumindest, wenn es nach dem Willen der CDU und ihrem Bürgermeister Paul Larue geht, die mit 25 Sitzen im Stadtrat die absolute Mehrheit hat. Dort wird am 4. Februar über den Verkauf des Geländes abgestimmt.

Seit rund zwei Jahren streiten sich in Düren Einzelhandelsverband, Parteien und Stadtplaner über das Projekt. Es gab einen Bürgerentscheid, der zumindest so erfolgreich war, dass eine 120 Jahre alte Zeder stehen bleiben kann. Ein Gemeindehaus, in dem Seniorenvereine untergebracht waren, muss nun allerdings weg. Es gab eine SPD, die mal für den Bau oder den Bürgerentscheid war, mal dagegen. Und es gab ein Jahr lang ein Hin und Her in der Frage, ob denn einer der drei „Ankermieter“ im Projekt denn nun wirklich der schwedische Weltkonzern H & M sei.

Im Dezember war die Katze aus dem Sack. „Hennes & Mauritz kommt nach Düren“ titelte eine Lokalzeitung und nannte das „eine Attraktion“. Das Projekt an der Kuhgasse im Zentrum hat die Stadt gespalten. 15.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, formschön verpackt in modernem Stahl und Glas, mit Grün, Licht und Parkplätzen. Dazu Saturn, Supermarkt, H & M, Cafés und vor allem „junge Mode“. Das alles dort, wo jetzt zwischen C & A, dem Evangelischen Gemeindehaus und Schienen nichts weiter ist als ein großer Parkplatz mit Parkhaus.

Das 45 Millionen teure „Stadtcenter“ wird von Brune Consulting und der Westdeutschen Immobilienbank bezahlt und soll „eine definitive Bereicherung“ für die Stadt werden, wie Andreas Martin sagt. Er ist Projektplaner bei der Düsseldorfer Concepta, ein Unternehmen von Brune Consulting, die auch die Neumarkt-Galerie in Köln geplant haben und nach eigenen Angaben „noch nie einen Flopp produziert haben“.

Nicht weit von dem leeren Parkplatz liegt die von schneller Nachkriegsarchitektur und Baulücken gezeichnete „Haupteinkaufsstraße“ Wirtelstraße, mit rund 50 Geschäften, die schon mal jährlich ihre Besitzer wechseln. „Wir befürchten, dass die Innenstadt zerstört wird, wenn nochmal 40 Geschäfte neu gebaut werden“, sagt Jörg Hamel, Vizepräsident des Einzelhandelsverbandes Düren-Aachen. Es sei richtig, dass Düren in den vergangenen sechs Jahren einen überdurchschnittlich hohen Umsatzverlust erleiden musste und dass etwas in der Innenstadt passieren müsse. „Und grundsätzlich sind wir nicht gegen den Bau“, sagt Hamel. „Er ist nur zu groß. Zudem ist die Anbindung des geschlossenen Baus an die Stadt nicht gesichert.“ Denn welcher Einkäufer setze denn noch einen Fuß vor die Tür, wenn er im „Stadtcenter“ alles bekomme, fragt er.

Die Angst vor dem „Ausbluten der Innenstadt“ teilt auch Verena Schloemer, Ratsmitglied der Grünen. „In der jetzigen Planung wird das ein Koloss, der nachts dunkel ist und keine Freizeitmöglichkeiten bietet.“ Schloemer befürchtet, dass Bürgermeister Paul Larue das Stadtcenter mit allen Mitteln zu seinem Renomeestück machen wolle. 2004 sind in Düren Kommunalwahlen. Denen von Brune gehe es nur um die Investitionen, kritisierte die SPD mehrere Male. „In einer Zeit, in der es um die Konjunktur schlecht bestellt ist und eine weiter steigende Arbeitslosenquote auch nicht dazu beiträgt, die für den Handel notwendige Kaufkraft zu stärken, ist es unverantwortlich, die bestehende Geschäftsstruktur der Innenstadt zu gefährden, indem man eine neue, fast gleich große Verkaufsfläche schafft“, sagte SPD-Fraktionschef Wilhelm Beißel.

Eine von Brune Consulting beim Institut für Handels-, Stadt- und Regionalplanung GfK Prisma in Auftrag gegeben Studie bescheinigte dem Projekt jedoch, dass es „standortadäquat dimensioniert sei“ und rund 60 Millionen Euro Umsatz im Jahr bringen könnte. Das Gutachten sage nichts über die Tragfähigkeit, Eingliederung und Auswirkung der Stadtgalerie auf den bestehenden Einzelhandel in Düren aus, kritisierte der Einzelhandelsverband. Martin von Concepta hält dagegen, dass der Bau für den Einzelhandel ein Anreiz sein werde, „wieder kreativ und aktiv“ zu werden. Zu einem Ausbluten der Innenstadt werde es nicht kommen, versichert Martin. „Wir brauchen eine lebendige Innenstadt. Für die Region wird Düren der zentrale Anziehungspunkt. Hier lässt sich viel Kaufkraft binden. Düren muss was tun, denn überall werden Einkaufszentren gebaut.“ Ingo Petz