Chance für Opfer

Südafrikas Wahrheitskommission legt allerletzte Empfehlungen vor, die mehr Entschädigungen von Apartheidopfern ermöglichen sollen

PRETORIA taz ■ Mit der Vorlage der zwei ergänzenden Kapitel zum bereits 1998 veröffentlichten Abschlussbericht hat Südafrikas Wahrheitskommission endgültig ihre Arbeit beendet. Ob die Opfer des weißen Minderheitsregimes allerdings am Ende für ihre Leiden während der Apartheid entschädigt werden, ist noch offen. Die Kommission erklärte jetzt, dass Staat und Wirtschaft eine besondere moralische Veranwortung hätten, Wiedergutmachung zu leisten.

Bis auf geringe vorübergehende Zahlungen für wenige Opfer ist in den vergangenen Jahren nichts geschehen. Die Benachteiligten in Südafrikas Gesellschaft hoffen nun auf eine positive Parlamentsentscheidung im April über die Entschädigungsfrage.

Das Reparationskomitee schlägt neue und kreativere Wege zur Entschädigung der Opfer vor. Wohlhabende sollen eine Entschädigungssteuer zahlen. Von der Privatwirtschaft wird erhofft, dass sie sich durch Steuervergünstigungen in einen speziellen Fonds einzahlt. Daraus sollen Organisationen auf Gemeindeebene stärker unterstützt werden. Doch die Zahlungsbereitschaft der Wirtschaft sei gleich Null, meinte Hlengiwe Mkhize, Vorsitzende des Reparationskomitees. „Wir haben in all den Jahren unserer Arbeit fast jede Firma besucht. Die Anwort war immer gleich: Wir hatten damit nichts zu tun.“

Es ginge hier aber nicht um Schuldzuweisungen, sondern um soziale Veranwortung. Denn die Firmen profitierten heute von Südafrikas Vergangenheit. Staatsbetriebe und internationale Banken, darunter Schweizer und deutsche Institute, sollen zur Rechenschaft für ihre Geschäfte mit Apartheid-Südafrika gezogen werden. Die schwarzen Jugendlichen, die um ihre Chancen gebracht wurde und nur die Gewalt der Waffen kennt, müsse durch den Staat freie Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten erhalten. Aber auch bisherige Empfehlungen an den Staat, für einige Opfer Häuser, Arbeitsplätze oder medizinische Hilfe bereitzustellen, ist nach Aussage des Berichts gescheitert.

Bei den hohen Staatsausgaben für Rüstung sei es unglaubwürdig, Finanzmangel vorzuschieben, um minimale Verpflichtungen zu erfüllen, heißt es im Bericht. Er war jetzt in den Union Buildings in Pretoria feierlich vom Kommissionsvorsitzenden, Erzbischof Desmond Tutu, an Staatspräsident Thabo Mbeki überreicht worden. Mkhize schätzt die ausstehenden Reparationen auf umgerechnet 371 Millionen Euro. Bisher erheilten rund 17.000 Opfer eine Entschädigung in Gesamthöhe von um 5,8 Millionen Euro. Nur wenige Opfer hatten bei Arbeitsaufnahme der Kommission Ende 1995 gewagt, öffentlich ihre Leidensgeschichten zu erzählen.

Die Zulu-Partei Inkatha wies den sie belastenden Bericht als „falsch“ und „einseitig“ zurück.

MARTINA SCHWIKOWSKI