Die Datenschützerin: Bettina Sokol

Das Wichtigste ist ihr die Unabhängigkeit: Bettina Sokol protestierte gegen den Militärputsch in Chile und wollte als überzeugte Sozialistin in die Produktion. Doch in Düsseldorf lief die NRW-Datenschutzbeauftragte vor „eisige Mauern“

„Ich bin unabhängig.“ Das ist für Bettina Sokol, Nordrhein-Westfalens Datenschutzbeauftragte, das Wichtigste an ihrem Job. Weder Landesregierung noch Parlament noch Ordnungsbehörden dürfen ihr in die Arbeit pfuschen. „Hier habe ich meine Freiheit, mich für die richtigen Dinge einzusetzen.“ Seit acht Jahren wacht die 43-Jährige über das Recht auf Datenschutz in Verwaltungen, seit 2000 auch in privaten Unternehmen. Die betroffenen Verwaltungen und Unternehmen seien meist einsichtig, wenn sie diese auf Verstöße aufmerksam machen. Ihre Erfahrung: „Die verstoßen selten mit Absicht gegen den Datenschutz.“ Dabei bleibt der gelernten Juristin oft nur die Drohung, die Presse zu informieren. Das wirke meistens.

Widerspruch liegt ihr. Abiturientin Sokol fehlte auf keiner Demonstration – für Menschenrechte, gegen den Pinochet-Putsch in Chile und Fahrpreiserhöhungen in der Straßenbahn. Als überzeugte Sozialistin wollte sie nach einer Lehre „in der Produktion“ arbeiten. Sie entschied sich doch für Jura, studierte an der Bremer Universität und gründete dort eine Frauengruppe. Dass Professoren nicht wussten, wann das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, ärgerte und amüsierte sie gleichermaßen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin entwickelte sie die ersten beiden Frauen-Professuren der Universität mit und veröffentlichte zu ihrem Thema: Frauen und Recht.

Als sie sich 1990 im Verwaltungsgericht Bremen vorstellte, war die emanzipierte Juristin schon bekannt wie ein bunter Hund. „Was wollen sie denn eigentlich hier?“, fragte ihr künftiger Chef, frauenspezifische Themen gäbe es an seinem Gericht nicht. Bettina Sokol diskutierte, wurde eingestellt und hatte damit „den Frauenanteil um 100 Prozent erhöht“. In den nächsten drei Jahren wies sie Anwälte zurecht, die die Kammer mit „Meine Herren“ ansprachen und erhöhte als Frauenbeauftragte „sprunghaft“ den Frauenanteil.

„Ich habe es immer für selbstverständlich gehalten, dass man seinen Mund aufmacht“, erklärt Sokol ihr Engagement. Das wurde honoriert: Ob mit der Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität oder der Wahl zur Frauenbeauftragten am Verwaltungsgericht Bremen. Auch nach ihrer Berufung als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bundesverfassungsgerichts wählten sie ihre Kollegen schnell zur Sprecherin des so genannten dritten Senats. Und auch die nordrhein-westfälischen Grünen, die 1996 das Vorschlagsrecht für den Posten des Datenschutzbeauftragten hatten, waren von der Streitbarkeit Sokols beeindruckt.

In Düsseldorf lief es für die erfolgsverwöhnte Querulantin zum ersten Mal nicht ganz glatt. Mit 36 Jahren war sie die jüngste Datenschutzbeauftragte in Deutschland. Sie habe niemanden gekannt, keine Verwaltungserfahrung gehabt und sei als „Grüne“ betrachtet worden, versucht die parteilose Sokol die Vorbehalte zu erklären. Von „eisigen Mauern“, gegen die sie gelaufen sei, erzählt die Datenschutzbeauftragte und lacht zum einzigen Mal im ganzen Gespräch nicht mehr. Sie habe „sehr, sehr viel gearbeitet“ und sich mit Fachwissen den nötigen Respekt bei den anderen Behörden verschafft. Bei den Landtagsfraktionen, die im April die Leitung der Datenschutzbehörde für acht Jahre neu wählen, gilt Sokol als kompetent und engagiert. Dass sie eine zweite Amtszeit antritt, sähen besonders die Grünen gerne. Neben den Rangeleien mit anderen Behörden und Institutionen setzte Sokol sich auch im eigenen Haus durch. Den Frauenanteil habe sie nur in der Technikabteilung nicht steigern können. „Es gab einfach keine qualifizierten Bewerberinnen.“ NADIA LEIHS