Singles im Profil

Sie sind als Zielgruppe schwer zu fassen: Nicht jeder Alleinlebende oder Alleinreisende ist auch Single. Annäherung an eine Minorität

VON MAREKE ADEN

Sind Sie Single? Dann versuchen Sie ja nicht, etwas über sich selbst herauszufinden, zumindest nicht im Internet. Geben Sie dort das Schlagwort „Single“ in eine Suchmaschine ein, dann werden Sie sehen: Das Singledasein ist nur interessant, wenn es darum geht, wie man diesen Status schnellstens wieder loswird. Es zeigt Ihnen viele Wege, wie Sie am besten zu einem neuen Partner kommen. Was kann man sonst noch über Sie sagen?

Viel Statistisches. Zum Beispiel sind Sie kein Einzelfall. Es ist zwar nicht ganz klar, wie viele von den im Jahr 2002 in Deutschland lebenden 45 Millionen Ledigen, Geschiedenen und Verwitweten tatsächlich auch Single sind. Geschätzt wird: mindestens 13,5 Millionen im heiratsfähigen Alter. Jedenfalls sind die 37 Millionen Eheleute nicht mehr haushoch überlegen. Diese werden immer weniger, während Singles immer mehr werden. Singles haben mehr Geld als andere. Aber Sie beziehen auch eher Sozialhilfe. Von den 1,28 Millionen Sozialhilfeempfängern, die es im Jahr 1995 schon gab, wohnten fast die Hälfte allein, zusätzlich war ein Fünftel allein erziehend. Sehen Sie sich also vor Kindern vor, wenn Sie Single sind.

Wenn Sie eine Frau sind, dann sind Sie wahrscheinlich ärmer als die Männer, die so vereinzelt leben wie Sie. Besonders schlimm steht es um Ihren Verdienst, wenn Sie eine weibliche Ost-Single-Angestellte sind. Es gibt zwar nicht so viele von dieser Spezies, denn das Singledasein ist im Westen Deutschlands immer noch verbreiteter als im Osten, aber auch hier wächst Deutschland zusammen. Sie sind wahrscheinlicher eine Frau. Nein, Sie sind wahrscheinlicher ein Mann. Da streiten sich die Statistiker.

Es kommt darauf an, welche Altersgruppen überhaupt als Singles gelten. Viele Statistiken zählen nur die Menschen mit, die jung und für alles offen sind, die 25- bis 45-Jährigen, zwischen der Langnese- und der Beck’s-Werbung. Dann sind die Männer in der Mehrzahl. Zählt man aber die Rentnergeneration dazu, dann gibt es mehr weibliche Singles, einfach weil Frauen Männer im Schnitt überleben. Hinzu kommt, dass Männer im Alter meistens nicht allein leben.

Ob diese Männer dann aber aus der Singlestatistik rausfallen, ist prinzipiell unklar, genauso wie man kaum sagen kann, ob Leute, die jung sind und allein haushalten, auch tatsächlich Singles sind. Das Statistische Bundesamt macht es sich leicht, zählt die Einzelhaushalte und vergleicht sie mit allen anderen. Alle paar Jahre entstehen so Nachrichten wie: „Jeder zweite Berliner ist Single.“ Wahr ist aber zunächst nur: „Jeder zweite Berliner lebt in einem Einzelhaushalt.“ Ob der in einem Einzelhaushalt Lebende auch tatsächlich Single ist, das weiß das Bundesamt nicht. Es gibt Paare, die getrennt wohnen, und es gibt WGs voller Singles.

Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einzelhaushalt einen Single beherbergt, größer und die Wohnweise deswegen ein vager Indikator für die „Versinglung“ der Gesellschaft. Wer aber nicht nur Vages über Sie erfahren möchte, der sollte die Soziologen befragen. Im britischen Warwick hat die Wissenschaft festgestellt, dass Singles kürzer leben als Raucher. Die Lebenserwartung sinkt insbesondere, wenn Sie Single und Mann sind, von Ihnen, der Sie Single und Mann und Raucher sind, ganz zu schweigen. Die paar Monate, die Sie allerdings als weiblicher Single kürzer leben, machen Sie wieder dadurch wett, dass Sie ohne Trauschein im Alter fitter sind. Erst hieß es, solche Frauen seien schrullig, weil sie immer allein sind. Aber Havard hat diese These vor zwei Jahren widerlegt. Weil sie Ihr Leben ganz allein regeln, nehmen diese Frauen im Alter mehr wahr. Deswegen kann vielleicht auch funktionieren, was viele nur skeptisch vorhersehen: dass in zwanzig Jahren die Single-Alters-WG zu der Lebensform der Wahl wird.

Jetzt wissen Sie ein bisschen was über sich. Wenn auch Widersprüchliches. Zum Schluss hat Ihnen Herr Mehdorn noch etwas zu sagen: Sie waren es, der ihm die Bahnpreisreform verhagelt hat. Aber er hat sich schon gerächt an Ihnen mit seiner Werbung: „Setzen Sie Kinder in die Welt. Familien fahren jetzt so günstig wie nie.“

MAREKE ADEN ist freie Journalistin in Berlin