Rechte kommen in Hörweite

Das gescheiterte NPD-Verbot bedeutet neues Selbstbewusstsein für rechte Szene. Das könnte sich in Berlin am 1. Mai zeigen. Bis zu 1.000 Teilnehmer werden bei der Demo in Charlottenburg erwartet

von HEIKE KLEFFNER

Was Berlin am 1. Mai von Seiten der NPD und der militanten Freien Kameradschaften erwartet, lässt sich derzeit anhand der aktuellen Versuche der Neonazis, sich an Aktivitäten der Friedensbewegung zu beteiligen, leicht vorhersagen. So ruft etwa der „Nationale Widerstand Berlin Brandenburg“ mit eindeutig antisemitischen Parolen auf seinen Internetseiten „die Kameraden“ dazu auf, sich am Tag X „auf die Straße zu begeben“.

Je nach Kriegsverlauf im Irak befürchten unabhängige Antifaschisten in Berlin, dass die NPD am 1. Mai massiv und unverhohlen „mit antisemitischen und antiamerikanischen Parolen“ auf die Straße gehen wird. Indiz dafür ist auch die für dann geplante Kundgebung in der City West. In den Vorjahren hatten die Rechten stets am Rande Berlins, in Hohenschönhausen, ihr Aufmarschgebiet.

Dabei geht das antifaschistische Bündnis „Gemeinsam gegen Rechts“, das derzeit Gegenaktivitäten zum neonazistischen Aufmarsch plant, davon aus, dass am 1. Mai „mehr als tausend Neonazis versuchen werden, durch Berlin zu marschieren“.

Orientiert man sich an den Teilnehmerzahlen der rechten Aufmärsche zum 1. Mai in den vergangenen Jahren, dürfte diese Einschätzung wohl zutreffen. Zumal die NPD in diesem Jahr offenbar spektrumsübergreifend mobilisieren will: Als Hauptredner für den Aufmarsch am Messegelände in Charlottenburg ist neben dem Parteivorsitzenden Udo Voigt auch der Hamburger Rechtsanwalt und langjährige Neonazi-Aktivist Jürgen Rieger angekündigt. In der Szene gilt Rieger, der unter anderem die verbotene militante Nationalistische Front vertrat und mit der völkischen „Artgemeinschaft“ eine eigene neonazistische Eliteförderung betreibt, als Vertreter des offen nationalsozialistischen Flügels.

Auch in Berlin ist die Entwicklung der neonazistischen Szene „schon seit Jahren vor allem durch eine deutliche Zusammenarbeit zwischen dem Spektrum der so genannten Freien Kameradschaften und der NPD bzw. deren Jugendorganisation JN geprägt“, sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv. Der Wandel der NPD zur „Bewegungspartei“ sei überhaupt nur durch eine Eintrittswelle junger rechtsextremer Aktivisten aus dem Spektrum der derzeit neun in Berliner Bezirken aktiven Kameradschaften zustande gekommen, so Jentsch.

Volker Ratzmann, Rechtsanwalt und Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, fordert nun von Innensenator Ehrhart Körting, die Route der NPD im Vorfeld offen zu legen. „Es muss die Möglichkeit geben, gegen demonstrierende Neonazis zu protestieren – und zwar am Ort des Geschehens“, so Ratzmann.