Der Angeklagte lächelt und schweigt

Ein Ukrainer soll den Dr. Oetker-Konzern erpresst haben. Auf einem Erpresserbrief findet sich sein Fingerabdruck. Aber ohne ein Geständnis oder weitere Zeugen reicht das nicht für einen Verurteilung. Sein Anwalt setzt auf Freispruch

Im November machte sich der 27-jährige Ukrainer Vitali I. auf die Reise. Es ist ein langer Weg von Kiew nach Schweden und Vitali I. hatte eine große Reisetasche dabei. Vitali I. fuhr auf Einladung eines Freundes. Der feierte die Taufe seines Neugeborenen. I. sollte Patenonkel werden. Dazu ist es jedoch nicht gekommen.

An der schwedischen Grenze wurde Vitali I. festgenommen. Die Grenzer hatten festgestellt, dass da ein weltweit gesuchter Mann die Kontrolle passieren wollte. Nach Vitali I. wurde per internationalem Haftbefehl gefahndet. Wenig später fand sich der junge Ukrainer statt bei einer ausgelassenen Familienfeier in den kargen Räumlichkeiten eines schwedischen Untersuchungsgefängnisses wieder.

Ein Fingerabdruck hatte ihn erst überführt – und nun vor das Amtgericht Tiergarten gebracht. Laut Anklage hat Vitali I. 1999 gemeinsam mit einem Freund versucht, den deutschen Nahrungsmittelkonzern Dr. Oetker zu erpressen. 1,1 Millionen US-Dollar sollen die beiden Ukrainer von der Firma mit Sitz in Bielefeld gefordert haben. Mehrmals hätten sie am Telefon und in Briefen behauptet, Dr.-Oetker-Produkte in Berliner Supermärkten mit einer starken Dosis Schlafmittel präpariert in die Regale gestellt zu haben. Mit der Methode der Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise sollte die Firma zum Einlenken bewegt werden.

Erfolg hatte dieser kriminelle Versuch der Geldbeschaffung damals nicht. Der Konzern ließ sich nicht beeindrucken. Es wurde kein Geld gezahlt. Es kamen auch keine Konsumenten zu Schaden. Zwar hatten Berliner Polizeibeamte im Sommer 1999 in nervöser Aufgeregtheit diverse Supermärkte abgeriegelt und durchsucht. Die Beamten konnten indes keine verdächtigen Lebensmittel finden. Danach wurde die Angelegenheit nicht weiterverfolgt. Die Erpresser mussten ihr Vorhaben als gescheitert ansehen. Sie ließen einfach nichts mehr von sich hören.

Die Geschichte hätte so ein pragmatisches Ende finden können. Die Polizei hatte allerdings auf den Erpresserbriefen Fingerabdrücke entdeckt. Einer der Abdrücke stammt von Vitali I. Das könnte ein Hinweis auf eine Täterschaft sein. Die Beamten schrieben eine weltweite Fahndung aus.

Vitali I. scheint indes auch nach seiner Verhaftung von einer schönen Zuversicht erfasst. Mit einem verschlagenen Grinsen betrat der schlaksige junge Mann gestern den Gerichtssaal. Betont entspannt ließ er sich auf den Stuhl vor den Richter fallen. „Mein Mandant legt kein Geständnis ab“, erklärte sein Anwalt. Und mit diesem kleinen Satz brachte Vitali I. den Richter bereits in Bedrängis. Ein Fingerabdruck reicht nicht für eine Verurteilung. Andere Beweise haben die Ermittlungsbehörden nicht. Vitali. I. schwieg und lächelte. Der Richter musste die Verhandlung aussetzen.

Die Ermittler müssen nun nach neuen Zeugen suchen. Ob sie jetzt noch Personen finden, die Vitali I. belasten, ist fraglich. „Es könnte gut sein, dass die Sache mit einem Freispruch endet“, erklärte der Anwalt nach der Verhandlung auf dem Gerichtsflur. Es könnte sein, dass Vitali I. vor knapp vier Jahren versucht hat, einen deutschen Lebensmittelkonzern zu erpressen, und jetzt mit einem Grinsen davonkommt. Sein Anwalt stand gestern auf dem Gerichtsflur. Er wippte auf die Zehen und sagte: „Wir werden sehen.“

KIRSTEN KÜPPERS