vorlauf kunst Harald Fricke schaut sich inden Galerien von Berlin um

Der Hamburger Bahnhof stellt ein Stück Ödland in der Berliner Museumslandschaft dar. Besonders schlimm ist es sonntags, wenn sich in das riesige Gebäude eine Hand voll Besucher verirrt. Dann sieht die Sammlung Marx aus, als wäre sie ein Autofriedhof für Pop und Moderne.

An den fortlaufenden Projekten liegt es nicht: Für die „WerkRaum“-Reihe wurde als 13. Gast Paul Etienne Lincoln eingeladen, der Kunst und Wissenschaft zu fantastischen Erzählungen verbindet. So splittet er in der Rauminstallation „New York New York“ die Großstadtarchitektur in erfundene und in Bronze oder Aluminium gegossene Geräte auf, die allesamt Elektrizität als Metapher des 20. Jahrhunderts thematisieren. Strom hält die Welt in Fluss, schafft Datentransfer und Kommunikation, von der Radio Hall bis zum Internet. Darin ist Lincolns Skulpturenpark ganz Kittler’sche Apparatur und zugleich Denkmaschine à la Marcel Duchamp.

Für den vorderen Ausstellungsbereich hat der in New Yorker Künstler mit „Die Berliner Zuckerbärin“ einen neuen Komplex aus Geschichte, Science und Fiction bearbeitet. Denn im 21. Jahrhundert wird Biotechnologie dominieren, dafür hat Lincoln schon mal die passende Wunderkammer gebaut: Einer Bärin wird per Ziegenmelkmaschine Muttermilch abgepumpt, der daraus destillierte Zucker wird wiederum mit dem Fruchtzucker künstlich gezeugter Blumen vermischt – die so gewonnene Flüssigkeit dient zum Stabilisieren von Glasfasern. Das klingt nach mad scientist und fügt sich doch zu einem technisierten Objektreigen, in dessen Zentrum man sich auch Matthew Barney vorstellen könnte. Nicht als Teufel, sondern als Ingenieur.