Tim & Struppi im Land der Ubier

Ein offizielles „Tim und Struppi“-Fachgeschäft gibt es in Deutschland nur einmal: im Agnesviertel in Köln. Die Kunden blättern schon mal mehrere hundert Euro für Kunstharzfiguren ihrer Helden hin

VON CHRISTIAN MEYER

Wenn man im Agnesviertel seit einigen Monaten Belgische Spezialitäten genießen kann, dann handelt es sich weder um Pralinen, noch um Pommes Frites. Seit Oktober letzten Jahres gibt es in der Schillingstraße 42 mit „Objective Lune“ den ersten und bislang einzigen „Tim und Struppi“-Laden Deutschlands. Das hört sich nach einer sehr speziellen Nische an. Vor allem ist es aber eine exklusive Nische: Denn die Fondation Hergé, deren Aufgabe die Sicherstellung der Unversehrtheit, des Fortbestands und der Verwaltung des Werkes von „Tim und Struppi“-Schöpfer Hergé ist, achtet sehr auf standesgemäße Vermittlung und erteilt nur äußerst selten Lizenzen für den Verkauf von Merchandising-Produkten.

Exklusiv ist auch das Angebot, dass der kleine Laden seinen Kunden bietet. Das fängt zwar bei einfachen Schlüsselanhängern, Mousepads, Postkarten und Postern für wenige Euros an, wird aber spätestens bei den Kunstharzfiguren eine wirklich teure Sache. Die Einzelfiguren oder auch kleinen Szenen haben schon mal Preise von mehreren Hundert Euro. Eine für den Frühling angekündigte, 1,44 Meter große Figur des Kapitän Haddock wird gar 3.100 Euro kosten und erscheint in einer Auflage von nur 500 Stück.

Dass sich derartige Devotionalien auch in Deutschland verkaufen lassen, ist allerdings verwunderlich. Der sehnsüchtige Blick des deutschen Comicfreundes auf die französischsprachigen Nachbarländer ist allzu bekannt. Publikumsträchtige Alben wie „Titeuf“ des Belgiers Zep, das dort Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren hat, verkaufen hierzulande gerade mal 10-15.000 Stück. Comics fristen in Deutschland nach wie vor ein trauriges Dasein. In Belgien hingegen werden Zeichner wie Hergé verehrt: Von ihm gibt es Sondermarken, belgische Astrologen benannten einen Stern nach ihm, er war ein guter Freund des Königshauses, und wenn man durch Brüssel wandert, sieht man nicht nur unzählige Comicläden sondern auch zahlreiche in Hergés oft kopiertem „Ligne Claire“-Zeichenstil bemalte Fassaden im Stadtbild.

Aber natürlich sind Tim und Struppi, die in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag feiern, auch hierzulande bekannt. Vor allem die Generation der heute 25- bis 50-Jährigen dürfte an ihnen kaum vorbeigekommen sein. Sie sind es auch, die versuchen, sich mit Tintin, so Tims französischer Name, ihre Jugend zu bewahren oder vielleicht auch zurückzuholen. Denn der ewig jugendliche, nette aber auch etwas spießige Held steht für eine unkomplizierte, nostalgische Welt.

Um sich darin verlieren zu können, kommen die Kunden des „Objective Lune“ auch aus Aachen oder dem Ruhrgebiet angereist (einen Versand für Privatkunden gibt es allerdings auch). Und auch wenn der Laden von Thomas Schützinger, der zudem zusammen mit Uwe Garske den Comic-Merchandise-Vertrieb Atomax und den ambitionierten Comicverlag Edition 52 betreibt, recht klein ist und wegen neuer Lieferungen gelegentlich mit großen Kartons zugestellt ist: Hier findet der Sammler und Liebhaber, was er sucht. Denn nicht nur das aktuelle Angebot steht zur Verfügung: Mit Hilfe eines Suchservice findet man hier auch Antiquarisches und Raritäten. Nach Brüssel oder Paris muss man nun jedenfalls nicht mehr extra fahren.

Objective Lune: Mo-Fr 13-18 Uhr, Sa 10-16 Uhr, Schillingstr. 42, 50670 Köln, Tel: 0221/5000556, Email: objective-lune@web.de