Pakistans Irak-Dilemma

Trotz Ablehnung des Krieges will sich Islamabad im Sicherheitsrat der Stimme enthalten

DELHI taz ■ Pakistan will sich in einer Abstimmung des UNO-Sicherheitsrats im Falle einer neuen Irakresolution der Stimme enthalten. In einer Radio- und Fernsehansprache zum Wochenbeginn erklärte Premierminister M. Z. Jamali zwar nur, Pakistan könne einen Krieg nicht unterstützen. Doch nach Angaben aus Kreisen der Regierungspartei beschloss das Kabinett, im Streit zwischen den Veto-Mächten keine Position zu beziehen.

Die islamistische Opposition reagierte empört über diesen Mangel an Solidarität mit einem „Brudervolk“ und verlangt ein Nein. Unabhängige Kommentaren begrüßten die Entscheidung aber mehrheitlich. „Pakistan als wichtiger islamischer Staat kann sich nicht die Unterstützung einer Resolution leisten, die noch mehr Leid über Irak bringen wird“, hieß es in der Zeitung Dawn. Und ein Beitritt zum Neinlager, fügte The News hinzu, würde von den USA sicher als äußerst unfreundlicher Akt empfunden, der nicht ohne Konsequenzen bliebe.

Islamabad befindet sich in einer wenig komfortablen Lage. Zwei Großdemonstrationen gegen den Krieg in Karatschi und Rawalpindi in den letzten zwei Wochen zeigten, dass die Opposition gegenüber den USA in Pakistan mehr Massenwirkung zu entfalten vermag als in anderen islamischen Ländern. Zwar ist auch der Durchschnittspakistaner der Gewalt abgeneigt. Doch die letzte Parlamentswahl brachte den islamistischen Parteien so viele Stimmen wie noch nie, ein Indiz, dass immer mehr Bürger den „Krieg gegen den Terror“ und die der Irakkampagne als antiislamisch verstehen. Militärmachthaber Pervez Musharraf, der weiter die Zügel in der Hand hält, muss anderseits die Kosten kalkulieren, wenn er Washington vor den Kopf stößt. Sie betreffen nicht nur die wirtschaftliche Stabilität seines hoch verschuldeten Landes. Entscheidend sind politische Überlegungen. Die Meinung ist weit verbreitet, dass Pakistan das nächste oder übernächste Ziel einer US-Invasion wird, wenn es nicht selbst seine islamistischen Gotteskrieger neutralisiert. Noch wichtiger ist aber die Angst, die USA vollständig in die Arme Indiens zu treiben, wenn Islamabad seine Zuverlässigkeit als Alliierter einbüßt.

Das intensivere Vorgehen gegen Al-Qaida-Verstecke in der letzten Zeit lässt sich als Versuch deuten, den USA Pakistans Zuverlässigkeit als Allianzpartner zu demonstrieren. Es gibt zahlreiche Stimmen, die in der spektakulären Verhaftung von Khalid Scheich Mohammed eine umsichtige Regie vermuten. Der Exgeheimdienstchef Hamid Gul behauptet, dass Mohammed bereits seit einiger Zeit in Haft war und die Razzia vom 1. März vielmehr für die Öffentlichkeit inszeniert worden sei. Ähnliche Gerüchte erhielten erneut Auftrieb, als der sonst so verschwiegene Geheimdienst am vergangenen Montag Journalisten in sein Hauptquartier einlud und ihnen gar ein Live-Video der Kommandoaktion vorspielte, bei der das Gesicht Mohammeds aber nie gezeigt wurde.

Die USA achten sorgfältig darauf, die Mitarbeit Pakistans in ein günstiges Licht zu stellen und sich dankbar zu zeigen. Es ist diese Partnerschaft, die US-Präsident George W. Bush ins Spiel brachte, als er Musharraf letzte Woche zweimal anrief, um ihn von einer neuen Irakresolution zu überzeugen. Bush gab auch nach dem Beschluss zur Stimmenthaltung nicht auf. Er telefonierte erneut mit Musharraf. Derweil lud der deutsche Botschafter am gleichen Tag Journalisten in seine Residenz, wo er und sein französischer, russischer und chinesischer Kollege der pakistanischen Öffentlichkeit wenig diplomatisch vorrechneten, wie unzuverlässig Washington als Allianzpartner Pakistans sei. Zudem hätten die USA Pakistan für seine Unterstützung kein Dankesgeschenk in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt. BERNARD IMHASLY