Pinguine watscheln ins Amt

Das Betriebssystem Linux setzt sich in Deutschland zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung durch. Das Plus gegenüber anderen Betriebssystemen: erhebliche Kosteneinsparungen, größerer Schutz gegen Virenattacken und mehr Wahlfreiheit

von MARKUS BECKEDAHL

Die öffentliche Verwaltung muss sparen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass hier in den letzten beiden Jahren mehr und mehr über Alternativen zu gängigen Software-Lizenzmodellen nachgedacht wird.

Der Unmut über Microsofts neue Lizenzpolitik war einer der Gründe für das Umdenken. Die Firma Microsoft hatte angekündigt, die Unterstützung und die Weiterentwicklung des gängigen Betriebssystems WindowsNT einzustellen. Das Ziel: Kunden sollten die neue Software von Microsoft kaufen.

Infolge dieser Entwicklung war im Sommer 2001 auch der Deutsche Bundestag, wie viele andere Institutionen und Betriebe in Deutschland, dazu gezwungen, über ein neues Betriebssystem für die Verwaltung und die Abgeordnetenbüros nachzudenken. Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages entschied sich vor einem guten Jahr eindeutig: Die Server laufen nun unter GNU/Linux und die Netzwerkinfrastruktur basiert auf offenen Standards.

Auf den Arbeitsplätzen ist zwar weiterhin Windows installiert. Die Abgeordneten können aber auf Wunsch den freien Browser Mozilla und das auf Linux basierende freie Office-Paket OpenOffice als Alternative zur Microsoft-Produktpalette nutzen.

Einen wichtigen Einfluss auf diese Entscheidung hatte auch die überparteiliche Kampagne Bundestux, die innerhalb von einem Monat 25.000 virtuelle Unterschriften für freie Software in der Bundestagsverwaltung gesammelt hatte.

Die Vorteile freier Software hat auch die Bundesregierung erkannt: „Lange Zeit hat die interessierte Öffentlichkeit, und auch mancher so genannter Experte, die Augen vor Risiken verschlossen, die sich bekanntermaßen aus einer Reihe von Betriebs- und anderer Softwareprogrammen ergeben können“, sagt Ulrich Sandl vom Bundeswirtschaftsministerium. Auch im weiteren volkswirtschaftlichen Sinne würden Open-Source-Entwicklungen durchaus Vorteile bieten. Innovationen in bessere, nutzerfreundliche und sichere Softwareprogramme können schneller und weiter verbreitet werden, weil auf der Basis bekannter Quellcodes an vielen Stellen gleichzeitig die Entwicklung vorangetrieben werden könne. „Gerade in Deutschland gibt es ja erfreuliche Anzeichen einer äußerst lebendigen und kreativen Open-Source-Szene“, so Sandl.

Das Vorbild des Bundestages hat auch in anderen Bereichen Schule gemacht: So will auch das Bundeskartellamt auf freie Software umstellen, wobei das Projekt Pilotcharakter hat: Es ist eines von dreien, in denen das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) die Möglichkeiten ausloten will, Open-Source-Lösungen in Behörden einzusetzen. „Von der Verwendung von Open-Source-Angeboten versprechen wir uns eine sicherere und robustere IT-Landschaft“, sagt Christel Marquardt, Projektleiterin beim BSI.

Software, die im Rahmen dieses Projekts entsteht oder Änderungen an bestehender Open-Source-Software werden direkt an die Open-Source-Community weitergegeben. Das heißt, sie sind für jeden Interessierten frei zugänglich. Andere Verwaltungen werden davon profitieren. Es bieten sich dabei noch ganz andere Potenziale, etwa für E-Government-Projekte, die zusammen von verschiedenen Kommunen oder Verwaltungen auf der Grundlage freier Software aufgebaut werden können.

Für Aufsehen hat auch die Stadt Schwäbisch Hall mit ihrem Entschluss gesorgt, die komplette IT-Infrastruktur inklusive Server und Clients bis zum Jahr 2004 auf GNU/Linux und das freie Office-Paket OpenOffice umzustellen. Im ersten Schritt werden 120 Rechner auf Linux umgestellt, anschließend sollen die restlichen 400 Rechner der Sadtverwaltung folgen. Der Oberbürgermeister, Hermann-Josef Pelgrim, erwartet von Linux dreierlei: dramatische Kosteneinsparungen, mehr Sicherheit und Wahlfreiheit durch den Einsatz von offenen Standards.

Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft beginnen öffentliche Verwaltungen die vielfältigen Möglichkeiten freier Software zu nutzen. Die Infrastruktur wird offen und transparent und bleibt trotzdem sicher.

Der Autor ist Vorsitzender des Netzwerks Neue Medien e. V. www.nnm-ev.de