ANC-Wahlgeschenk an Südafrikas Häuptlinge

Neues Landgesetz in Südafrika: Traditionelle Führer kriegen die Landeigentumsrechte in den früheren „Homelands“

JOHANNESBURG taz ■ Mehr Gerechtigkeit in Südafrika soll ein neues Gesetz für Landrechte bringen, das seit Montag dem Parlament in Südafrika zur Entscheidung vorliegt und gestern vom Landausschuss des Parlaments gebilligt wurde. Doch unabhängige Organisationen und Betroffene kritisieren, die Vorlage stärke traditionelle Chiefs auf Kosten vor allem der Frauen.

 Das Gesetz regelt Landbesitz in Südafrikas ehemaligen „Homelands“ neu. Während der Apartheid waren die „Homelands“ selbstverwaltete Reservate für die schwarze Mehrheitsbevölkerung, aufgesplittet nach ethnischer Zugehörigkeit und dominiert von traditionellen Autoritäten. Bis heute gibt es dort keinen individuellen Landbesitz. Einwohner erhalten lediglich die Erlaubnis des traditionellen Chiefs, auf einem Stück Land zu leben oder zu arbeiten. Das Eigentum liegt beim Staat.

 Auch das neue Gesetz schafft keine individuellen Eigentumstitel, sondern überträgt Land lediglich vom Staat an die Gemeinden. Verwaltet wird es dann von einem traditionellen Rat, der zu 40 Prozent gewählt werden kann; doch den Vorsitz hat der traditionelle Chief. Der Rat kann theoretisch das Land an Einzelpersonen weitergeben, doch der Prozess ist kompliziert.

 „Die Gemeindemitglieder in diesen ländlichen Gegenden haben nichts zu sagen, weil der Chief bestimmt“, meint Michelle Festus, Mitarbeiterin des Nationalen Landkomitees in Johannesburg. Professor Ben Cousins, Programmleiter für Landstudien an der Universität Western Cape, erläutert: „Viele Menschen wurden in Apartheid-Südafrika unter Zwang umgesiedelt und irgendwo einem Häuptling untergeordnet, und sie können auch jederzeit vom Chief rausgeschmissen werden.“ Die Chiefs wiederum berufen sich auf ihre angestammten Rechte, obwohl Südafrikas demokratische Verfassung Land für alle vorsieht. Etwa 12 Millionen Menschen sind von der neuen Gesetzgebung betroffen, und etwa 20 Millionen Hektar Land soll in Gemeindeeigentum übergehen.

 Kritiker meinen, der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) sei durch Forderungen einflussreicher Gemeindeoberhäupter unter Druck geraten und liebäugele mit den Wahlstimmen der traditionellen Häuptlinge – besonders in der Provinz KwaZulu-Natal wolle der ANC dadurch Zulustimmen von der Inkatha Freedom Party abwerben. Cousins meint, die ANC-Regierung habe diesen Weg auch aus ideologischen Gründen eingeschlagen, da privater Landkauf das traditionelle Gemeindesystem zerstören und Arme benachteiligen würde.

 Neben Verstärkung der Häuptlingsmacht liegt eine weitere Problematik des neuen Gesetzes in der Benachteiligung der Frauen. Sie besitzen keinen eigenen Zugang zu Land, sondern genießen diesen lediglich durch Ehemänner oder Verwandte. Wenn traditionelle Räte in Landfragen entscheiden, sind Frauen kaum zugelassen und besitzen wenig Mitsprache. Mit dem Tod des Ehemanns geht auch das von Frauen bewirtschaftete Land wieder in Männerhände über.MARTINA SCHWIKOWSKI