Arbeitskampf ist nach dem Grundgesetz zulässig

Tarifkonfikt bei Heidelberger Druckmaschinen AG in Kiel: Die IG Metall ruft zum befristeten Streik auf, Arbeitsgericht hob Streik-Stopp auf

Dem Streik im Kieler Werk der Heidelberger Druckmaschinen AG steht nichts mehr im Wege: Das Kieler Arbeitsgericht hob gestern nach einer mündlichen Verhandlung die Einstweilige Verfügung wieder auf, durch die es den Beginn des Arbeitskampfes der IG Metall am Dienstag untersagt hatte. Im Konflikt geht es um den Abbau von fast 800 Arbeitsplätzen wegen der geplanten Produktionsverlagerung nach Rochester (USA). Bereits für Montag sind die 1100 Beschäftigten von der IG Metall mit Beginn der Frühschicht zum Ausstand aufgerufen worden.

Obwohl der Streikbeginn seit Tagen für den letzten Dienstag angekündigt worden war – in der Woche davor hatten 98,6 Prozent der IG MetallerInnen für den Arbeitskampf votiert – hatte der Heidelberger Vorstand trickreich erst Montagnachmittag einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung beim Kieler Arbeitsgericht gestellt. Die Richterin sah sich – wie berichtet – wegen der komplexen Materie außerstande, ad hoc zu entscheiden und untersagte zunächst den Streik ohne mündliche Verhandlungen. Der Grund: Heidelberger sollte durch den Streikbeginn in der „Verwirklichung seiner Rechte“ nicht gehindert werden.

Doch nun hat sich das Gericht offenkundig sachkundig gemacht und sprach ein deutliches Wort. „Obgleich jede gewerkschaftliche Forderung die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers erschwert, ist der Arbeitskampf nach dem Grundgesetz zulässig“, sagt Gerichtssprecherin Sylke Otten-Ewer. „Es ist auch zulässig, diese Regelung firmenbezogen zu treffen.“ Auch das Betriebsverfassungsgesetz stehe dem nicht entgegen. Zudem stehe der Betrieb unter dem Schutz des Arbeitgeberverbandes Nordmetall.

IG Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller begrüßte das Urteil. „Das Gericht hat erkannt, dass Gewerkschaften das Recht haben, die Interessen der von Entlassung bedrohten Beschäftigten durch angemessene Maßnahmen zu sichern – notfalls auch durch einen Arbeitskampf.“

IG Metall verlangt für den Fall von betriebsbedingten Kündigungen infolge der Produktionsverlagerung verlängerte Kündigungsfristen sowie Regelungen über Abfindungen sowie Weiterqualifizierungen. Der für Montag ausgerufene Streik ist bis Donnerstag befristet. Kiels IG Metall-Chef Wolfgang Mädel apppelierte an die Vernunft der Heidelberger-Bosse. „Mit dieser zeitlichen Befristung wollen wir erneut dokumentieren: Wir wollen die Tarifforderungen verhandeln und zu einem tragbaren Ergebnis kommen.“ KAI VON APPEN