Attac macht mobil gegen Gats

Globalisierungskritiker eröffnen mit der Botschaft des imaginären Landes Monetanien bundesweite Aktionen gegen das General Agreement on Trade in Services (Gats), mit dem die Welthandelsorganisation Dienstleistungen liberalisieren will

von CORELL WEX
und LUCIA JAY

Hinten links auf der Bühne am Berliner Alexanderplatz steht ein grauer Tresor. „Gats-Dokumente. Streng geheim!“ steht darauf. Der Wind hatte das Schild zwischenzeitlich weggepustet. Doch auch starke Böen konnten gestern die feierliche Eröffnung der Botschaft der Privatisierten Republik Monetanien durch ihren neuen Botschafter, Dr. Moneyfred Moos, nicht vereiteln. In Monetanien gibt es keine Bürger mehr, nur noch Konsumenten. Alles ist in diesem Land gegen Geld zu haben. Ein Stand der Frischluft AG wirbt mit brandheißen Angeboten für Frischluft.

Der Höhepunkt der gestrigen Botschaftseröffnung aber sieht eine Verhandlung im Rahmen des allgemeine Dienstleistungsabkommen (Gats) zwischen dem Botschafter und einem EU-Vertreter vor. Die schwarze Limousine fährt vor. Alle Monetanier werden von der Bühne gescheucht. Statt Verhandlung findet ein Kuhhandel statt. „Wasser“ steht auf der Kuh, die der EU-Vertreter mitgebracht hat, er tauscht sie nach einigem Geflüster gegen die „Bildungs“-Kuh des Botschafters. Beide sehen zufrieden aus. Einige Bürger protestieren. „Ich verdumme“ und „Ich verdurste“ steht auf den Schildern, die sogleich von der Monetanien-Security beseitigt werden.

Das Schauspiel ist Teil der bundes- und europaweiten Gats-Aktionen von Attac, die gestern in 40 Städten anliefen. Bisher ist der Öffentlichkeit weitgehend entgangen, wie sehr Gats ihre lokale Umgebung verändern wird. Seitdem im November auf dem Europäischen Sozialforum beschlossen wurde, den 13. bis 15. März zu europaweiten Aktionstagen zu machen, hat Attac Deutschland fünf Regionalkonferenzen abgehalten. Interessierte wurden weitergebildet, um als Multiplikatoren auf lokaler Ebene zu fungieren. Mit dem Zulauf und der erzielten Aufmerksamkeit ist das Attac-Bundesbüro zufrieden. Thomas Fritz, Leiter der Anti-Gats-Kampagne betonte kürzlich auf der Regionalkonferenz in Nürnberg, dass es angesichts des drohenden Irakkrieges schon ein Erfolg sei, das Thema überhaupt auf die politische Agenda gesetzt zu haben. Immerhin habe im Januar schon eine Anhörung im Bundestag stattgefunden.

Seitdem Mitte Februar die bisher geheimen Verhandlungspositionen der EU durchgesickert sind, wird klar, was von den bisherigen öffentlichen Versprechungen zu halten ist. Entgegen anders lautenden Beteuerungen wird nun doch die Privatisierung der Wasserversorgung in der Dritten Welt gefordert. Bei sich selbst hingegen will die EU dies zwar nicht zulassen, doch nach Fritz’ Einschätzung sei das nicht mehr als eine Verhandlungsposition, die die EU auch noch verlassen könne. Kein Wunder, dass viele der Attac-Aktionen sich gerade auf Brunnen und das Thema Wasser konzentrieren wie zum Beispiel in Hamburg, wo man sich mit dem örtlichen Bündnis gegen die Privatisierung des Wasserwerks zusammengetan hat. Hier werde deutlich, wie konkret die lokale Ebene vom Ausverkauf bedroht sei, so Jule Axmann von Attac.

Allerdings sei es schwierig, gegen den Irakkrieg und Gats gleichzeitig zu mobilisieren, gibt die Aktivistin Melanie Diller aus Nürnberg zu bedenken. Da aber das Interesse stark gestiegen sei, werde es dennoch auf der großen Friedensdemonstration einen Infostand und ein Straßentheater geben. Die Äußerungen von EU-Handelskommisar Pascal Lamy, Gats habe nichts mit Privatisierung und Deregulierung zu tun, sondern nur mit Freihandel, nennt sie einen Witz. Das wäre so, als würde jemand sagen, dass es Diebstahl sei und nicht Raub.

Wie sie haben viele die Hoffnung, dass mit den Aktionstagen endlich Bewegung in die Öffentlichkeit kommt. Thomas Fritz ist sich sicher, dass nach dem Vorbild des Investitionsschutzabkommen MAI, wo nach Veröffentlichung der Verhandlungspositionen der öffentliche Druck so groß wurde, dass das ganze Abkommen zu Fall gebracht wurde, auch Gats gekippt werden könnte. Monetaniens Botschaft könnte dann ihre Tore wieder schließen.