Bizarre Traumsequenzen

Bis in die kleinste Faser verwobene Schicksale, die keinen Ausweg bieten: Gefangen in Liebe und Abhängigkeiten sind die Protagonisten von „transgression/excès“ auf Kampnagel, das Malte Ubenauf und Dirk Meinzer nach Georges-Bataille-Texten inszeniert haben

Das Publikum steht ratlos im Raum. Soll es hier zwei Stunden stehen? Es hört nur Geräusche der Wassertanks, aus denen man Wasser in Becher zapft. Doch dann: Auftritt dreier DarstellerInnen. Der Abbé (Peter N. Steiner), der Vater (Joachim Kappl) und Sie (Suzana Rozkosny) kippeln auf Tischchen und beginnen zu sprechen. Kurz danach geht‘s in den zweiten Raum. Endlich sitzen.

Die Bühne des Stücks transgression/excès von Malte Ubenauf und Dirk Meinzer auf Kampnagel ist ein Gedicht in Grau und Grün, wie auch Interieur und Kostüme (Olaf Habelmann) grau und grün sind, aus Filz, Seide und Flanell, mal mit Blumen, mal mit Nadelstreifen. Hinten eine Wand, auf die ein Neubauhaus projiziert wird, vorn Sitzmöbel von weltraumartigem Design, ein Tischchen, Wein und ein spacig-silbernes Telefon. Rechts Lydia Majerczak-Stanislawiak, deren auf Polnisch dargebotene Texte den ZuschauerInnen auf seltsame Art einen Halt bieten.

Mittig thront der Vater vor einer papiernen Pistolen-Collage. In die Stille hinein greift Er (Marko Gebbert) zum Telefon, ruft Sie dreimal an, sagt nichts. Beim dritten Mal sagt Sie in den Hörer: „Wer in solchem Maße liebt, ist krank!“ und bringt die Geschichte ins Rollen, die Malte Ubenauf mit seinem Team erarbeitet hat.

Angelehnt an den 1962 edierten Band Das Unmögliche des französischen Philosophen und Autors George Bataille und die darin enthaltenen Episoden „Rattengeschichte“, „Dianus – Auszüge aus den Notizbüchern von Monsignor Alpha“ und „Orestie“ schicken Ubenauf und Co. ihr Publikum auf eine Reise, die betört, verwirrt, berührt. Es geht um Liebe mit allen Facetten, schön, hässlich, exzessiv, krank. Ganz kurz: Mann liebt Frau aus besseren Verhältnissen, Frau spielt mit Mann, gibt sich hin, zieht sich zurück, beginnt eine Affäre mit einem befreundeten Geistlichen, flieht zum Vater ins Schloss. Mann verliert sich in dieser ménage à trois, steigert sich bis zum Wahn, stellt sein Leben in Frage. Diese letzte (Traum-)Sequenz des Stückes erleben die ZuschauerInnen im dritten und letzten Raum, der karg möbliert ist und erst zum Schluss seine Überraschung enthüllt.

Verwirrendes Theater, ganz im Sinne von Bataille: „Ich eröffne ein Theater in meinem Inneren. Da wird ein falscher Schlaf gespielt. Ein Schwindel. Gegenstandslos. Eine Schande, ich schwitze sie aus ...“

Barbara Schulz

weitere Vorstellungen: 14.–16.3, 19.–22.3., 20 Uhr, Kampnagel