Vorschriften gegen Tradition

Schanghai hat seiner Partnerstadt Hamburg die Kopie eines berühmten Teehauses samt Garten geschenkt. Beim Bau wurden die Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Bauweise deutlich – aber am Ende gab es immer kreative Kompromisse

VON XU BEI

Die ostchinesische Stadt Schanghai hat Hamburg ein besonderes Geschenk gemacht: Neben dem Völkerkundemuseum ließ sie die Kopie eines der berühmtesten Gärten Chinas errichten, mit einem Teehaus im Zentrum. Doch so ganz hat das Kopieren nicht geklappt – zu unterschiedlich sind die Vorstellungen und Vorschriften über das Bauen in den beiden Ländern.

Der Yu-Garten in Shanghai gilt als einer der schönsten Gärten Chinas und ist im Originalzustand erhalten. 1559 wurde er von einem hohen Beamten der Ming-Dynastie erbaut. Damals stand die chinesische Gartenkunst in ihrer Blüte. Der Yu-Garten ist Sinnbild der chinesischen Philosophie, indem er die Harmonie von Erde, Himmel und Menschen ausdrückt. „Es ist sehr schwer, eine getreue Kopie in Hamburg zu bauen, die dem Yu-Garten vom Aussehen her, von dessen Sinn und ästhetischem Reiz her entspricht“, sagt Li Hongbao, Geschäftsführer von China Zhenjiang International Economic-Technical Cooperation Corperation (CZICC). Seine Firma, die eine Filiale in Mannheim betreibt, hat das Teehaus in Hamburg gebaut.

Die traditionelle, chinesische Landschaftsmalerei und die Kunst der Gartengestaltung stehen in enger Beziehung zueinander. Ziel der Gartengestaltung ist es, die Harmonie von Erde und Himmel, Steinen, Wasser, Gebäuden, Wegen und Pflanzen zu erreichen – den sieben Elementen der chinesischen Gartenbaukunst. Der Mensch als Achter soll dann mit ihnen und in ihnen zur vollkommenen Harmonie finden.

Diese Vorstellungen kollidieren jedoch mit den strengen Vorschriften des deutschen Bauwesens. Der Architekt des chinesischen Teegartens hatte die Geländer der kleinen Brücke niedriger geplant, als in Deutschland vorgeschrieben, weil er fand, ein hohes Geländer würde die visuelle Erscheinung des Gartens beeinträchtigen, und das Wasser darunter ohnehin seicht ist. Aber an den deutschen Bauvorschriften führte kein Weg vorbei.

Beim Bau des Teehauses sind die chinesischen Ingenieure auf heikle Probleme gestoßen: In China lernt man im traditionellen Architektur-Handwerk nicht streng nach Lehrbuch. Die wichtigsten Fertigkeiten werden vom Meister zum Lehrling weitergegeben. Zum Beispiel die nach oben gebogenen Ecken der Dachvorsprünge: Die chinesischen Ingenieure haben sie nach Jahrtausende alten „Regeln der Architektur“ gebaut. Aber als die deutschen Kollegen das Konstruktionsprinzip verstehen wollten, taten sie sich mit der Erklärung schwer. Am Ende mussten die Deutschen einfach glauben, dass die Ecken nicht herunterfallen würden.

Nach der Tradition muss der Rahmen eines alten chinesischen Gebäudes aus Holz gebaut und durch Zapfen verbunden werden. Allerdings entsprechen Holzrahmen den Bauvorschriften in Deutschland nicht. Nachdem die chinesischen Ingenieure den deutschen Kollegen das Prinzip des Holzrahmens erklärt haben, haben sie sich gemeinsam entschlossen, im Fundament des Teehauses eine Stahlbetonstruktur und für Wände und Decken eine Holzstruktur zu verwenden.

Weil Hamburg viel kälter ist als Schanghai, spielt die Wärmedämmung eine wichtige Rolle. Schon vor 500 Jahren hatte man in China Kupferkessel mit glühender Kohle in einem Zwischenboden, um die Räume warm zu halten. Allerdings wären solche Maßnahmen für das Teehaus in Hamburg unpraktisch. Deshalb wurde im Teehaus eine deutsche Heizung installiert. Außerdem hat man auch deutsche Wärmedämmstoffe benutzt. Auch Fenster und Türen waren für das norddeutsche Klima zunächst zu groß geplant und mussten angepasst werden.

Ein altes chinesisches Sprichwort lautet: „Es gibt in der Welt kein Gleiches.“ Das gilt auch für das Teehaus in Hamburg. Obwohl es dem Äußeren nach eine getreue Kopie des Shanghaier Yu-Gartens ist, wurden die ursprünglichen Planungen für seine neue Heimatstadt Hamburg stark verändert. Dieser Prozess gibt dem Teehaus einen neuen Sinn: Es ist zu einer Plattform des Austausches geworden. „Die Ergebnisse waren nicht, dass die Chinesen sich den Deutschen, oder die Deutschen sich den Chinesen untergeordnet haben, sondern sie haben ihre Auffassungen ausgetauscht und gemeinsam eine Lösung gefunden“, sagt Li Hongbao.

Chinesisches Teehaus, Feldbrunnenstraße 68, täglich 11 bis 19.30 Uhr